Die Seidenbaronin (German Edition)
kann schlecht nach Paris kommen.»
Paulinas Gedanken überschlugen sich. Luise musste sich in einer verzweifelten Lage befinden, wenn sie eine alte Freundin um Hilfe bat, die sie seit vielen Jahren nicht gesehen hatte. Ob sie wusste, dass der Offizier, den sie in geheimem Auftrag nach Paris geschickt hatte, nicht nur ein entfernter Verwandter von Paulina war? Vielleicht hatte Luise ihn sogar absichtlich ausgewählt, in der Hoffnung, dass gerade er imstande wäre, die Weggefährtin aus Darmstädter Tagen zu überreden, nach Ostpreußen zu kommen.
«Ehrlich gesagt, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass die Königin keine fähigeren Berater hat als mich», meinte Paulina. «Von Hardenberg selbst scheint sich doch recht gut auf das politische Geschäft zu verstehen.»
«Auch der Staatsminister legt Wert auf Ihr Urteil, Madame. Er durchschaut die Absichten des französischen Kaisers nicht. Nun kommt erschwerend dazu, dass das Verhältnis zwischen Napoleon und der Königin nicht das beste ist. Der Kaiser ließ nach seinem Einmarsch in Berlin einige unschöne Dinge über Ihre Majestät veröffentlichen, was sie ihm sehr übelnahm. Er verbreitete, dass die Königin eine Kriegstreiberin sei und zudem eine Liaison mit dem russischen Zaren unterhalte. Die Voraussetzungen für Verhandlungen sind also nicht gerade günstig, zumal Napoleon der Meinung zu sein scheint, dass eine Frau nichts dabei zu suchen hat. Von Hardenberg setzt darauf, dass Sie, Madame, ihm Napoleons Denkweise näherbringen können – insbesondere was die Frauen betrifft.»
«Ich? Wie kommt er denn zu dieser absurden Annahme?», rief Paulina eine Spur zu heftig, sodass Christian die Brauen hochzog. «Außerdem kann ich unmöglich von hier fort, ohne dass jemand darauf aufmerksam wird. Es handelt sich immerhin um eine sehr weite Reise.»
«Wir wissen, dass Sie des Öfteren für längere Zeit auf Handelsreisen sind», entgegnete Christian. «Es würde also niemand etwas Ungewöhnliches darin sehen. Denken Sie daran, dass Sie im Dienste der preußischen Königin handeln würden, die Ihnen noch dazu freundschaftlich verbunden ist!»
Paulina schüttelte energisch den Kopf. «Nein, Monsieur! Ich werde nicht nach Königsberg reisen. Mich interessiert dieser Krieg nicht. Wenn Luise unbedingt gegen Napoleon kämpfen will, dann soll sie es in Gottes Namen tun. Die Preußen werden ohnehin am Ende verlieren. Ich bin zwar nicht die größte Anhängerin Napoleons, aber ich habe ihm dennoch einiges zu verdanken. Unter seiner Regentschaft bin ich zu Ruhm und Ehren gelangt. Ich werde nicht so dumm sein, das alles aufs Spiel zu setzen.»
«Sie müssen nichts aufs Spiel setzen, Madame. Wenn der Krieg vorbei ist, kehren Sie unverzüglich nach Paris zurück. Niemand wird von Ihrer kleinen Hilfestellung erfahren.»
«Wer weiß, wie lange dieser Krieg noch dauert», wandte Paulina ein.
«Er wird nicht mehr lange dauern, Madame. Die Truppen aller Beteiligten sind ausgeblutet, Ostpreußen ist verwüstet. Napoleon wird bald eine Entscheidung herbeiführen.»
«Was soll ich der Königin dann noch für einen Rat geben? Offenbar bleibt Preußen doch gar nichts anderes übrig, als Frieden zu schließen.»
«Falls Napoleon aber noch einmal die Königin zu sprechen wünscht, könnten Sie ihr empfehlen, wie sie sich ihm gegenüber zu verhalten hat, damit nicht alles noch schlimmer wird.»
Paulinas Blick ging ins Leere. «Ihre Majestät setzt Erwartungen in mich, die ich nicht erfüllen kann.»
Christian von Bahro winkte ab. «Erzählen Sie mir nichts! Ich habe eben gemerkt, wie Sie reagiert haben, als ich von der Einstellung Napoleons zu den Frauen sprach.»
«Ich kenne den Kaiser aber kaum!», versuchte Paulina, ihm erneut einzureden.
«Er hingegen scheint Sie erstaunlich gut zu kennen! Seine Begegnung mit Ihnen war immerhin so eindrucksvoll für ihn, dass er sogar in Berlin davon erzählt hat. Als man über die feindliche Haltung der preußischen Königin sprach, sagte Napoleon, er habe schon einmal mit einer Dame aus Mecklenburg zu tun gehabt. Sie habe sich mit Dingen beschäftigt, um die Frauen sich nicht zu kümmern hätten. Der Kaiser brüstete sich damit, sie mit einer kleinen List außer Gefecht gesetzt zu haben, indem er dem Gatten besagter Dame einen Grafentitel verlieh, um sie an den Pariser Hof zu holen. Nun interessiere sie sich wie alle anderen Damen der Hofgesellschaft nur noch für aufwendige Roben, glanzvolle Feste und den neuesten Klatsch.» Christian sah
Weitere Kostenlose Bücher