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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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einen der glanzvollsten Höfe Europas zu kommen, und nun würde sie im Haus eines Postmeisters als Hofdame einer Provinzfürstin versauern.
    «Was ist mit Ihnen, liebste Freundin?», fragte Therese besorgt. «Geht es Ihnen nicht gut?»
    Paulina öffnete die Lider. «Doch, doch, es geht mir gut. Wahrscheinlich habe ich nur zu wenig geschlafen. Wenn Sie erlauben – ich würde mich gerne zurückziehen.»
    Der schwarz gekleidete Herr musterte Paulina mit zusammengekniffenen Augen. «Ich glaube, ich lag gar nicht so falsch mit meiner Annahme …»
    «Mit welcher Annahme, Graf Barthold?», fragte Prinzessin George verwirrt. «Sie sprechen in Rätseln.»
    Der Blick des Grafen verharrte auf Paulina. «Ich bin sicher, das junge Fräulein weiß, wovon ich spreche.»
    «Ich weiß überhaupt nichts», erwiderte Paulina barsch. Die Tatsache, dass der Herr ihre nicht gerade ehrenhaften Gedanken zu ahnen schien, gefiel ihr ganz und gar nicht.
    «Warten Sie in unserem Boudoir auf mich, liebe Freundin», bat Therese und nahm Paulinas Hände. «Ich weiß nicht, was ich ohne Sie täte. Es tröstet mich sehr, dass Sie mir in meinem Schmerz zur Seite stehen.»
    Paulina versank in einen tiefen Knicks und verabschiedete sich artig. Prinzessin George nickte ihr wohlwollend zu. Kurz bevor Paulina sich umdrehte, um in Richtung Tür zu gehen, traf sie der Blick des Grafen Barthold.
    «Wirklich schade, Baroness, dass Sie der Londoner Gesellschaft vorenthalten bleiben», sagte er mit einem süffisanten Lächeln. «Sie wären eine wahre Bereicherung für den englischen Hof gewesen.»

    Als Paulina auf dem Kostümball am Abend versonnen den virtuosen Klängen eines jungen Geigers lauschte, spürte sie plötzlich, dass von hinten jemand an sie herantrat.
    «Treiben Sie es nicht zu wild, Baroness!», raunte ihr eine Stimme mit drohendem Unterton zu.
    Paulina drehte sich um. Obwohl der Herr hinter ihr maskiert war, erkannte sie sofort den Grafen Gondern in ihm.
    «Ich mag Sie nicht besonders gut leiden, Fräulein von Gralitz», fuhr der Graf flüsternd fort. «Das ist Ihnen sicher nicht entgangen. Aber da Sie es tatsächlich geschafft haben, die gesamte landgräfliche Familie für sich einzunehmen, muss ich Ihnen Ihre kleinen Eskapaden nachsehen, so schwer es mir fällt. Was mögen die Herrschaften nur so an Ihnen? Selbst Graf Barthold, den ich immer für einen integren Menschen hielt, ist ganz angetan von Ihrer scheinheiligen Art.»
    «Dann haben Sie anscheinend den Zynismus in seinen Worten überhört», erwiderte Paulina, ohne den Grafen dabei anzusehen. «Ich sage Ihnen, er mag mich genauso wenig wie Sie.»
    «Als Oberhofmeister der Landgräfin von Hessen-Darmstadt habe ich eine gewisse Macht in diesem Hause.» Graf Gondern zischte nun wie eine Schlange. «Und die lasse ich mir von einem Emporkömmling wie Ihnen nicht nehmen. Sie sind wie Phönix aus der Asche aufgetaucht, obwohl Sie die Enkelin eines Mannes sind, dessen Namen man in diesem Hause tunlichst nicht in den Mund nimmt. Ich warne Sie, Fräulein von Gralitz! Gegenwärtig stehen Sie bei Prinzessin George hoch in der Gunst. Doch glauben Sie mir – ich habe schon mehr als einen ehrgeizigen Höfling in Ungnade fallen sehen. Sie haben sich in der kurzen Zeit, die Sie an diesem Hof leben, schon viele Feinde gemacht, Mademoiselle. Jeder einzelne wird sich im Fall Ihres Untergangs vergnüglich die Hände reiben.»

Kapitel 10
    Neustrelitz, Mai 1789
    «Diese Leute aus dem Norden sind so schrecklich langweilig! Aber wen wundert es? Egal, wo man hinsieht, gibt es in Mecklenburg nur Seen und gelbe Felder. Da muss man ja melancholisch werden. Und dieser Wind! Ständig ruiniert er meine Frisur und zerrt an meinem Rock. Außerdem ist die Sonne nicht gut für den Teint. Also, ich für meinen Teil bin heilfroh, wenn wir endlich wieder nach Regensburg zurückkehren.»
    Diese von einer jungen Frau mit heller Stimme ausgerufenen Worte weckten Paulina aus ihrem Nachmittagsschläfchen. Nach der am Morgen in der Schlosskapelle vollzogenen Trauung hatte sie sich völlig erschöpft auf ihr Bett gelegt und war sogleich eingeschlafen.
    «Lass das niemanden hören, liebes Schwesterchen!», sagte lachend ein junger Mann. «Mir scheint, sie sind hier sehr stolz auf ihr Fleckchen Erde, das fast nur aus Wasser, Wind und Raps besteht. Aber unter uns gesagt: Auch mir fehlen die Höhenzüge und die Tannenwälder unserer Heimat.»
    Die beiden Geschwister hatten eine ähnliche Mundart wie der Prinz von Thurn und

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