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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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Ihnen nicht persönlich seine Glückwünsche überbringen, Hoheit», antwortete Graf Bahro mit regungsloser Miene. «Er befindet sich noch in Italien.»
    Und die liebe Großtante wird bei der Reiseplanung zweifellos ihre Finger im Spiel gehabt haben, dachte Paulina unwillkürlich.
    Am Ende der Parade erschien ein sonderliches Paar vor den Brautleuten. Beide hatten die achtzig schon überschritten. Der Mann ging am Stock, gestützt von seiner Begleiterin, und es bereitete ihm einige Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er blickte immer wieder leicht verwirrt um sich, doch er strahlte eine noble Würde aus, die ahnen ließ, dass er einmal ein großer Herr gewesen sein musste.
    Seine Begleiterin war nicht viel jünger als er, doch wesentlich rüstiger. Von hochgewachsener und fast schon hagerer Statur, schritt sie kerzengerade auf das Prinzenpaar zu. Silbergraues Haar umrahmte ihr Gesicht, das trotz der unzähligen Falten noch die Zeichen seiner ehemaligen Schönheit trug. Ihre wachen Augen schweiften lebhaft umher.
    Die greisen Herrschaften traten vor Therese und Karl Alexander, und die Dame versank in einen für ihre fortgeschrittenen Jahre beachtlichen Hofknicks.
    «Reichsbaron von Gralitz-Boltenhusen und seine Schwester, die Baronin von Herrenheim», stellte der Oberhofmarschall vor.
    Paulina war mit einem Schlag hellwach. Das musste ihr geheimnisvoller Urgroßvater sein!
    Auch Therese zeigte sich interessiert. «Von Gralitz? Ich freue mich, Sie hier begrüßen zu dürfen, Herr Baron. Sie müssen ein Verwandter meiner Gesellschafterin, der Baroness von Gralitz, sein! Wenn ich mich recht entsinne, erzählte mir meine Großmutter einmal, dass Mademoiselle Paulina Ihre Urenkelin sei.»
    Der frohe Ausdruck auf dem Gesicht des alten Herrn erstarb.
    «Wie bitte? Meine Urenkelin?», fragte er verunsichert. «Verzeihen Sie, Hoheit, aber ich habe keine Urenkelin.»
    Betretenes Schweigen folgte. Ein paar der umstehenden Höflinge begannen leise zu tuscheln. Therese blickte ratsuchend zu Graf Gondern und machte ihm ein Zeichen. Der Graf trat daraufhin diskret zu dem greisen Baron und sprach mit gedämpfter Stimme auf ihn ein.
    «Was haben Sie gesagt, junger Mann?», rief der alte Herr. «Sie müssen lauter sprechen – ich kann Sie nicht verstehen!»
    Graf Gondern räusperte sich verlegen und sagte dann etwas lauter: «Ihre Hoheit fragte Sie nach Ihrer Urenkelin, dem Fräulein von Gralitz.»
    Der Arm des Barons, mit dem er sich mühsam auf den Stock stützte, begann zu zittern. «Wen meinen Sie, junger Mann?»
    «Ich spreche über Fräulein von Gralitz, die Gesellschafterin Ihrer Hoheit Prinzessin Therese.»
    «Ich kenne kein Fräulein von Gralitz!»
    «Ihre Urenkelin, Herr Baron», wiederholte Graf Gondern.
    «Sie ist nicht meine Urenkelin!», donnerte der alte Herr los. «Jobst von Gralitz ist nicht ihr Vater!»
    Er blickte wie irr geworden um sich. Die beschwichtigende Hand des Grafen Gondern schlug er energisch beiseite und klopfte zur Bekräftigung seiner Worte mehrmals mit seinem Stock auf den Boden. Die Hofgesellschaft war peinlich berührt. Paulina wäre am liebsten im Erdboden versunken.
    Gerade als die betretene Stille unerträglich zu werden begann, ließ sich neben dem Baron die zarte Stimme der alten Dame vernehmen: «Verzeihen Sie, Hoheit! Das Gedächtnis meines Bruders ist nicht mehr das beste.» Sie tätschelte liebevoll den Arm des Barons. «Du weißt nicht, was du redest, Bernhard», sagte sie mit der Nachsicht, die man einem kleinen Kind entgegenbringt. «Sie müssen es dem Herrn Baron nachsehen, Hoheit, aber manchmal verwechselt er …»
    Sie unterbrach sich mitten im Satz. Ihre Augen weiteten sich, und dann hob sie langsam ihren Arm und deutete auf Paulina.
    «Bernhard! Sieh nur! Die junge Dame!»
    Der Baron zuckte zusammen. «Was ist? Warum schreist du so?»
    «Antonia! Da ist Antonia!» Die alte Dame wirkte wie erstarrt.
    Mit altersschwachen Augen stierte der Baron in die Richtung, in die der Arm seiner Schwester zeigte.
    «Was sagst du da?», rief er aufgeregt. «Wo ist Antonia?»
    «Deine Urenkelin, Bernhard!» Die Baronin Herrenheim schnappte nach Luft. «Das kann nur deine Urenkelin sein!»
    Alle Blicke richteten sich auf Paulina, deren Herz wie wild zu klopfen begonnen hatte.
    «Wo ist Antonia?», wiederholte der alte Herr und klammerte sich an seine Schwester. «Ich kann sie nicht sehen! Führe mich zu ihr, Amalie, ich bitte dich! Antonia, meine Antonia!»
    Die alte Dame ließ ihren

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