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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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haben. Leider war ich es seinerzeit, die den Baron von Gralitz für deine Mutter ausgesucht hat.» Sie begann, unruhig im Zimmer umherzugehen. «Er schien eine hervorragende Partie zu sein. Jobst von Gralitz entstammt einer alten mecklenburgischen Adelsfamilie, die den Bahros sehr verbunden ist. Er hat Erldyk, eine kleine Herrschaft am Niederrhein, geerbt … Zudem wird Boltenhusen in Mecklenburg irgendwann an ihn übergehen. Der letzte Baron von Gralitz-Boltenhusen hat keine weiteren Nachkommen … Nun, ich glaubte Sophie bestens versorgt, zumal ich meiner Schwester versprochen hatte, mich um das Mädchen zu kümmern. Als die beiden in Mecklenburg heirateten, konnte niemand ahnen, was für ein schlimmes Ende das nehmen würde. Sie waren ein so schönes Paar!»
    «Madame, wissen Sie, warum meine Mutter meinen Vater verlassen hat?», stellte Paulina die einzige Frage, die sie in diesem Zusammenhang wirklich interessierte.
    «Nein, mein Kind. Auch mit mir hat Sophie nie darüber geredet. Ich weiß nicht, was den beiden dort am Niederrhein geschehen ist. Sie können von Anfang an nicht glücklich gewesen sein, denn Sophie ist oft alleine nach Mecklenburg gereist.»
    «Nach Mecklenburg? Was wollte sie dort?»
    «Die Familie meines verstorbenen Gatten stammt aus Mecklenburg. Sophie ist nach Schloss Bahro gefahren. Sie hat sich dort sehr wohl gefühlt. Wer weiß, vor was sie geflohen ist …»
    «Und was war mit mir?»
    «Mit dir? Nun, irgendwann kam Sophie nicht mehr nach Mecklenburg. Wir hörten, dass sie ein Kind bekommen habe, und dachten, dass sie und Jobst endlich zueinandergefunden hätten. Ein paar Jahre vergingen, dann tauchte Sophie eines Abends bei deinem Großvater in Darmstadt auf – halbtot und mit dir auf dem Arm. Du warst erst zwei Jahre alt!»
    «Und sie hat nicht erzählt, was passiert war?»
    «Nein. Zuerst ließen wir sie in Ruhe, weil sie lange Zeit krank war. Damals lebte Anna noch im Haus deines Großvaters, und sie war sehr besorgt um Sophie. Wir haben deinem Vater geschrieben, aber er hat nie geantwortet. Als es Sophie wieder besserging, haben wir sie vorsichtig befragt. Sie beharrte darauf, nicht über das Geschehene reden zu wollen. Wir hofften, dass sie irgendwann darüber hinwegkommt … dass die Zeit alle Wunden heilt. Doch das Gegenteil war der Fall …»
    «Warum haben Sie sich noch einmal an meinen Vater gewandt, wo die Verbindung doch schon seit Jahren abgebrochen war?», fragte Paulina.
    «Aber er ist dein nächster Verwandter, mein Kind!»
    «Ich habe genug andere Verwandte», rief Paulina trotzig. «Außerdem sind Sie ja auch noch da, Großtante!»
    Ein wehmütiges Lächeln glitt über das Gesicht der Gräfin.
    «Du weißt, dass du jederzeit auf mich zählen kannst, mein Kind. Aber auch ich werde nicht ewig leben … Ich fand es an der Zeit, deinen Vater daran zu erinnern, dass er eine Tochter hat.»
    «Und was hat mein Vater Ihnen nun geantwortet?»
    Frau von Bahro zögerte. «Nun, mein Bote ist unverrichteter Dinge zurückgekehrt. Dein Vater hat ihn nicht einmal empfangen. Die Zustände in Schloss Erldyk und in der kleinen Herrschaft des Barons müssen verheerend sein. Die Leute erzählen, dass Herr von Gralitz sich um nichts kümmert und seinen Besitz völlig vernachlässigt. Er selbst verschanzt sich in seinem Schloss. Seine Bauern können nur mit Mühe ihre Felder bewirtschaften und leben in großer Armut. Meinem Kurier blieb nichts anderes übrig, als mein Schreiben beim Pfarrer des Dorfes zu hinterlassen und wieder abzureisen.»
    Die Gräfin lehnte sich müde zurück. Am liebsten hätte Paulina ihr tröstend die Hand auf die Schulter gelegt, doch eine derart vertrauliche Geste wagte sie ihrer Großtante gegenüber nicht.
    «Ich muss Ihnen gestehen», ergriff sie schließlich das Wort, «dass mich diese Nachricht weniger betroffen macht, als Sie es zu befürchten scheinen. Ich kenne meinen Vater nicht und verspüre auch keinerlei Verlangen, ihn kennenzulernen. Machen Sie sich um mich keine Sorgen, liebste Großtante. Ich werde mit Prinzessin Therese nach England gehen und die Hofdame der zukünftigen englischen Königin sein. Was sollte ich also mit meinem Vater am Niederrhein zu schaffen haben?»
    Die Gräfin Bahro blickte verstört auf. «Wie du redest, mein Kind! Du machst mir Angst.»
    «Angst? Warum? Ich bin es nur gewohnt, den Dingen ins Auge zu sehen!»
    «Nun, dann wollen wir hoffen, dass alles so eintrifft, wie du es dir vorstellst. Ich fürchte, dass du es nicht

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