Die seidene Madonna - Roman
nur im Morgenmantel, standen in einer Ecke und sagten kein Wort.
De Gié lief mit großen Schritten hektisch im Rittersaal auf und ab und beschimpfte ständig die Wachen vor dem Haupteingang. Als er Louise bemerkte, hielt er einen Augenblick inne und sah sie an, bevor er Verwünschungen vor sich hin brummend seine ruhelosen Runden fortsetzte.
Catherine und Jeannette hielten sich aneinander fest und wagten kaum zu atmen. René wusste nicht, was er tun sollte, und wartete an der Tür zu den Gesindezimmern. Philibert, Jean-Baptiste und Bonaventure waren in die Küche verschwunden und versuchten sich mit einem Schoppen Rotwein zu beruhigen.
Mit Ausnahme von Marschall de Gié, der weiter wie ein gefangener Löwe auf und ab lief, wagte keiner, sich zu rühren oder etwas zu sagen. Gonfreville, den Louise nach Blois geschickt hatte, war noch nicht wieder zurück, obwohl er nach den Angaben
der Hebammen der Königin eigentlich längst wieder hätte da sein müssen.
Seit über einer Stunde herrschte der Marschall seine Wachen an, hielt sie auf Trab, scheuchte sie nach draußen, damit sie alles absuchen sollten, und rief sie dann fluchend wieder zurück.
Als Louise die Treppe herunterkam, eilte er zu ihr.
»Wo ist Gonfreville?«, fragte sie ihn mit schwacher Stimme.
»Er muss jeden Moment kommen, Madame.«
Louise griff sich an die Stirn, sie war schweißgebadet, und ihre Beine gaben nach.
»Holt sofort einen Sessel für die Comtesse!«, brüllte de Gié und stürzte zu ihr, um sie aufzufangen.
Zwei Wachen griffen nach dem nächstbesten Stuhl, ein Knecht war schneller und kam mit einem niedrigen Schemel, stieß aber mit zwei Lakaien zusammen, die ebenfalls den Befehl des Marschalls gehört hatten und einen Lehnsessel vor Louise stellten.
Antoinette kam gerade mit einem nassen Tuch zu Louise, als man jemand rufen hörte:
»Gonfreville! Gonfreville ist aus Blois zurück!«
Alles stürzte hinaus, und die Aufregung begann von neuem. Kaum hatte sich Louise hingesetzt, sprang sie auch schon wieder auf, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Gonfreville machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Anne de Bretagne hatte soeben einen Sohn zur Welt gebracht.
Louise schloss sich acht Tage lang auf ihrem Zimmer ein und erschien nicht einmal zu den Mahlzeiten. Nur Catherine durfte zu ihr. Und das Zimmermädchen verließ sie nicht eher, als Louise nach einem beruhigenden Kräutertee vor Erschöpfung eingeschlafen war.
Sie zeigte sich erst am neunten Tag wieder. Mit dunklen Ringen
um die Augen, niedergeschlagen und ohne ein Wort zu sagen, erschien sie zum Abendessen.
Es fiel ihr nicht einmal richtig auf, dass Marschall de Gié beim Essen fehlte und auch sonst nirgendwo im Schloss zu sehen war. Er begnügte sich damit, die Kinder zu langen Spazierritten in den Wald auszuführen.
In dieser ganzen Zeit, die nicht enden zu wollen schien, fanden weder Musikunterricht noch Poesiestunden statt. Abends leisteten Marguerite und François ihrer todtraurigen Mutter Gesellschaft und versuchten sie mit dem üblichen Geplapper und ihren endlosen Fragen aufzuheitern.
Keine vierzehn Tage später gab es eines Abends die gleiche Aufregung wie in der Nacht, in der Louise die niederschmetternde Nachricht erhalten hatte. Wieder herrschte große Unruhe auf dem langen Korridor zur Haupttreppe. Aber alles geschah wie im Taumel, wie wenn man nach einem Sturz wieder aufspringt oder eine Feder zurückschnellt. Es fühlte sich an wie ein warmes, heilendes Licht. Knechte, Dienerinnen, Lakaien und Hellebardiere überboten sich gegenseitig mit Gelächter und Geschrei. Diesmal sollte das Freudenfest am kleinen Hof von Amboise stattfinden, nicht mehr an dem von Blois.
Der Sohn der Königin hatte plötzlich starke Krämpfe bekommen, die bei einem Neugeborenen und vor allem zur damaligen Zeit keine Hoffnung ließen. Zur allgemeinen Bestürzung des gesamten Hofstaates von Blois war das Kind dabei, sein Leben auszuhauchen.
Und in Amboise feierte man derweil Gonfreville, den Schildknappen von Louise und Überbringer der guten Nachricht. Er wurde umringt, und alle wollten ihn anfassen wie einen Gott, der den Sieg verheißt. Die unerträgliche Stimmung, die auf Amboise geherrscht hatte, verzog sich wie der Blitz nach Blois.
Louise wusste nicht, ob sie gelassen bleiben oder sich aufregen sollte. Rein äußerlich ließ sie sich nichts anmerken. Ihre Verzweiflung hatte sie nicht verbergen können, doch versuchte sie, so gut es ging, ihre Freude zu kaschieren. Aber
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