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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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alles mitbekommen musste. Nicht die kleinste Kleinigkeit durfte ihm entgehen. Seine Aufgabe war es, alles zu verstehen, eine Eigenschaft, die die wirklich guten Dienstboten auszeichnete. Er würde eher sterben als irgendjemandem auch nur ein einziges Wort oder eine Andeutung von einem Geheimnis zu verraten. Ein Page durfte sich einzig und allein seiner Herrin anvertrauen.
    Als René sah, dass es Louise an nichts fehlte, zog er sich ein wenig zurück.
    Antoinette versuchte mit verschiedenen Anekdoten und Klatschgeschichten, die im Schloss kursierten, für Stimmung zu sorgen.
    »Ich habe gehört, Germaine de Foix will die Königin verlassen.«
    »Dieses Mädchen ist intrigant, und ihre raffinierten Machenschaften werden der Königin bestimmt sehr fehlen. Es wundert mich, dass sie ihr nicht mehr dienen will«, antwortete Jeanne.
    »Sie kehrt sicher nicht auf ihre Güter in der Bretagne zurück«, entgegnete Antoinette, »es geht eher das Gerücht um, dass sie heiraten wird.«
    »Sie will heiraten?«
    »Und davon weiß ich nichts?«, mischte sich jetzt auch Louise ein.
    »Aber, Louise!«, tadelte sie Jeanne nachsichtig. »Ihr seid doch bereits seit einigen Monaten nicht mehr am Hofleben interessiert. Seht doch nur, sogar Euer Page ist ganz traurig über Euren Zustand.«
    »Hast du das gewusst?«, fragte Louise den jungen Mann.
    »Ja, Dame Louise.«
    »Warum hast du mir dann nichts gesagt?«

    René sah sie mit großen Augen an.
    »Weil Ihr seit acht Tagen nicht mehr mit mir sprecht, Dame Louise«, entschuldigte er sich errötend.
    Louise betrachtete geistesabwesend den Ziegenkäse auf frischem Stroh, den sich Jeanne und Marschall de Gié mit großem Appetit schmecken ließen und den sie noch nicht einmal angerührt hatte.
    »So beruhigt Euch doch bitte wieder, Madame. Ihr habt ja noch gar nichts gegessen«, meinte der Marschall unerschütterlich. »Die Königin kann jeden Moment niederkommen. Dann müsst Ihr bei Kräften sein, um die Geburt ihrer zweiten Tochter zu feiern.«
    Jeanne und Antoinette sahen sich verblüfft an. Was war denn mit de Gié los, dass er sich Louise gegenüber auf einmal so zuvorkommend verhielt? Das hatten sie noch nie erlebt.
    Leider zeigten seine tröstlich gemeinten Worte keine Wirkung - die Gräfin begnügte sich weiter damit, ein Stückchen Käse anzustarren, das sie nicht einmal auf ihren Teller legen konnte.
    Jeannette ließ versehentlich ein Messer fallen, das mit einem lauten Klirren auf dem Boden landete. Das Geräusch riss Louise aus ihren düsteren Gedanken.
    »Wer ist denn der Glückliche, der Germaine de Foix heiraten soll?«, fragte sie gelangweilt.
    »Ferdinand d’Aragon ist Witwer. Wie es heißt, hat er die Königin gebeten, eine neue Frau für ihn zu suchen.«
    »Und Germaine de Foix soll die Auserwählte sein?«
    »Das behaupten jedenfalls einige Leute.«
    »Gewiss ist die Königin sehr geschmeichelt, dass sich Ferdinand d’Aragon an sie gewendet hat«, meinte Jeanne und nahm noch ein wenig von dem köstlichen Kuchen mit karamellisierten Äpfeln, der so wunderbar duftete.
    »Ihrem Hofstaat fehlt es jedenfalls nicht an illustren Namen«,
meinte Antoinette und wischte sich manierlich mit dem Handrücken über den Mund.
    »Sie sind alle aus der Bretagne«, bemerkte de Gié ärgerlich, »lauter Bretoninnen. Selbst in Blois kann sich die Königin nicht von ihrer Heimat trennen. Dieses Verhalten ist Frankreich gegenüber taktlos, und das muss jetzt endlich aufhören.«
    Wenn sich de Gié über die diplomatischen Fehler von Königin Anne erging, hörte ihm Louise aufmerksam zu. Sie wusste sehr gut, welchen Groll er gegen die Bretagne hegte und dass er sich sehnlichst wünschte, Frankreich zu dienen und nicht dem Herzogtum der Königin.
    Der Einfluss von Marschall de Gié hatte unter den beiden vorhergehenden Königen sehr zugenommen, und es war seit langem bekannt, dass seine persönlichen Vorlieben Frankreich galten, obwohl er Bretone war - was auch eindeutig der heftigste Streitpunkt zwischen ihm und Königin Anne war. Stimmte er etwa nicht mit dem gegenwärtigen König darin überein, eine unabhängige Bretagne zu unterbinden und Anne daran zu hindern, ihre eigenen Interessen durchzusetzen?
    Aber de Gié wusste auch besser als irgendjemand sonst, dass die Königin alles daransetzte, um ihr Herzogtum unbeschadet zu lassen. Oder war der zweideutige Ehevertrag, den Louis XII. unterschrieben hatte, nicht Beweis genug? Und Anne verfügte an ihrem Hof über ausreichend Unterstützung,

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