Die seidene Madonna - Roman
um zu wissen, dass de Gié genauso hartnäckig in die entgegengesetzte Richtung arbeitete.
Louise war viel zu erschöpft von einigen schlaflosen Nächten, um sich an dem Gespräch zu beteiligen, aber dennoch fühlte sie sich irgendwie betroffen von den Äußerungen ihrer Freundinnen.
»Ich bin der Ansicht, diese Ehe ist angebracht«, meinte sie
schwermütig, »auch wenn dadurch die Interessen der Königin gefördert werden. Glaubt Ihr nicht auch, dass es sich dabei eher um einen geschickten Plan von König Ludwig handelt? Ich würde fast sagen, es ist ziemlich schlau, die de Foix mit dem d’Aragon zu verheiraten.«
»Da habt Ihr vermutlich recht«, räumte de Gié ein. »Schließlich muss sich der König für Italien den Rücken freihalten, weil er dort ohnehin einen schweren Stand hat.«
»Geht es da etwa um die Aufteilung von Territorien zwischen ihm und König Ferdinand?«
»Nicht ausgeschlossen«, antwortete der Marschall.
»In diesem Fall muss d’Aragon alles daransetzen, mit Frankreich zu paktieren. Besser könnte König Ludwig also gar nicht Einfluss auf Spanien nehmen.«
Der wie immer wohl überlegten Bemerkung von Louise hatte de Gié eigentlich nichts entgegenzuhalten und meinte nur:
»Sehr wahrscheinlich würde diese Verbindung unserem Land nützlich sein. Aber bis dahin ist es noch ein langer und steiniger Weg.«
Antoinette, die grundsätzlich nichts von politischen Diskussionen hielt und sie höchstens zum Austausch von Klatsch und Tratsch nutzte, sagte wie beiläufig:
»Das Fehlen von Germaine de Foix wird sich auf jeden Fall bemerkbar machen und der Hof unter ihrem Weggang leiden.«
»Was dann wohl aus all den jungen, hübschen Herren wird, die ständig um sie herumscharwenzeln?«, spottete Jeanne vergnügt.
»Findet Ihr sie wirklich so anziehend?«
»Sie hat auf jeden Fall einige Vorzüge«, meinte sie und stellte ihr Weinglas wieder ab.
»Sprecht Ihr jetzt von ihrer Schönheit oder von ihrem Wissen?«
»Mir scheint, ihre Bildung ist sehr oberflächlich«, mischte sich
Louise gereizt ein. »Anne de Bretagne erzieht ihre Hofdamen in erster Linie nach moralischen Gesichtspunkten, was sicher Anerkennung verdient, aber die Damen sind nicht wirklich gebildet.«
»Wollt Ihr etwa behaupten, sie hätten keine Kultur, Louise?«, protestierte Jeanne.
»Sie sollen Kultur haben! Großer Gott, woher denn bitte? Könnt Ihr mir das vielleicht sagen?«
»Das wird nicht einfach«, antwortete Antoinette an ihrer Stelle. »Oder was wissen sie schon von den griechischen und römischen Schriftstellern? Beherrschen sie etwa Latein? Welche Sprachen sprechen sie außer den paar Brocken Italienisch oder Spanisch, die bei uns gerade en vogue sind, weil unsere Könige in diesen Ländern Krieg führen? In dieser Hinsicht muss ich Monsieur de Gié unbedingt recht geben: Königin Anne bringt ihnen nur bei, was ihren eigenen Interessen im Hinblick auf die Bretagne nützt.«
De Gié war von dieser Replik und dem Lob für ihn so überrascht, dass er nur zustimmend nicken konnte.
»Wird die Bretagne denn eines Tages wieder ganz zu Frankreich gehören?«, fragte François, der wie seine Schwester dem Gespräch aufmerksam folgte.
»Wir sind auf dem besten Wege dazu«, versicherte ihm der Marschall leidenschaftlich. »Und wenn Ihr erst einmal König seid, wird diese Provinz keine Geheimnisse mehr vor Euch haben.«
Man speiste und schwatzte noch lange, und Louise dachte ausnahmsweise nicht an ihre Ängste. Und als sie sich an diesem Abend mit ihren Kindern zurückzog, gab de Gié einmal den beiden Hellebardieren frei, die sonst jede Nacht vor ihrer Tür Wache hielten.
Noch zehn Abende vergingen in Unruhe und Aufregung, ehe
sich die Königin endlich entschloss niederzukommen. Louise versuchte immer wieder, sich die Zeit mit Tagebuchschreiben zu vertreiben, brachte aber kein Wort zu Papier. Zwar tauchte sie die Feder in die Tinte, aber dann schwebte sie nur ratlos über der leeren Seite.
In der Nacht des elften Tages hörte sie eilige Schritte auf dem Flur. Sie sprang aus dem Bett, zog sich hastig ein Negligé über und lief auf den Korridor. Dort war es aber so finster, dass sie zweimal gegen einen Mauervorsprung stieß und in ihr Zimmer zurückeilen musste, um eine Lampe zu holen.
Im gesamten Schloss herrschte unbeschreibliche Aufregung, und auf der Treppe zum Rittersaal hörte man gespenstische Geräusche.
Louise war leichenblass, und ihre Beine konnten sie kaum noch tragen.
Antoinette und Jeanne, beide auch
Weitere Kostenlose Bücher