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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Wir waren etwa ein Dutzend Männer, mal mehr und mal weniger. Und es nahm einfach kein Ende, dass man uns die Kadaver vor die Füße warf.«
    Alix liefen die Tränen übers Gesicht, und sie schüttelte den Kopf, den sie an seine Schulter gelegt hatte. Dann fasste sie sich, schob Mathias weg und wischte sich mit einer beinahe zornigen Geste über die Augen.
    »Jetzt habe ich das letzte Mal geweint, Mathias«, sagte sie finster. »Das letzte Mal, ich schwöre es! Du sollst mich nicht noch ein Mal flennen sehen.«
    Dann nahm sie ihn am Arm und zog ihn in die andere Werkstatt, wohin Julio und die anderen Männer verschwunden waren, um die beiden nicht zu stören.
    »Komm mit«, sagte sie zu ihm.
    Im Raum nebenan arbeiteten Julio und Landry an den beiden Hochwebstühlen, und Pierrot ließ schnell die Wiege los, die er sanft geschaukelt hatte. Alix führte Mathias zu seinem Sohn.
    »Sieh nur, was für ein wunderschönes Kind Nicolas ist!«, sagte sie, und ihre Augen strahlten ausnahmsweise. »Pierrot kümmert sich oft um ihn, wenn ich nebenan zu tun habe.«
    Sie nahm das Kind aus der Wiege und reichte es seinem Vater.
    »Hier ist dein Sohn, Mathias. Er ist gesund und munter.«
    »Das Kind gehört doch eigentlich dir, Alix. Wahrscheinlich hast du ihm das Leben gerettet.«

    »Das ist schon wahr, aber trotzdem bist du sein Vater. Und du brauchst viel Liebe, um ihn großzuziehen, Mathias.«
    In Mathias’ Blick machte sich Panik breit.
    »Lass mich bitte nicht im Stich, Alix. Florine ist tot, und Nicolas hat nur noch dich.«
    Dann begann er mit erstickter Stimme zu fluchen.
    »Zum Teufel! Soll sich der Himmel doch auch noch die letzten Pestopfer holen! Siehst du denn nicht, dass ich verloren bin, Alix, hilflos und ganz allein auf der Welt? Wegen dir bin ich zurückgekommen, Alix, nicht wegen meinem Sohn. Ohne dich bin ich nichts, und das weißt du auch.«
    »Auch ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst, Mathias«, antwortete sie ihm sanft.
    »Aber du bist stark, Alix, tausendmal stärker als ich. Du wirst damit fertig. Ich kann nur überleben, wenn du mir hilfst!«
    Julio hatte sich zunächst abseits gehalten und kam jetzt näher.
    »Meinst du nicht, du solltest dich einfach wieder an die Arbeit machen, Mathias? Komm, ich stell dir Landry vor.«
     
    Arnold hatte die Leitung der einen Werkstatt übernommen, wofür ihm Alix sehr dankbar war. Immerhin hätte er sich ohne Weiteres anderswo verdingen können, zumal es in den Webereien, genau wie bei den Buchbindern, den Illuminatoren und Pergamentmachern, wegen der Pest überall an Personal fehlte. Alle Zunftmeister suchten deshalb händeringend nach neuen Arbeitskräften, um die Unglückseligen zu ersetzen, und stellten neu ein.
    Arnold war ein guter Arbeiter, und Alix wusste seine zuverlässige Arbeit zu schätzen. Sie bot ihm einen besser bezahlten und ranghöheren Posten an. Es war höchste Zeit, dass er Vorarbeiter wurde, genau wie Meister Gauthier es bei Coëtivy gewesen war.
    Arnold übernahm also die Leitung der Werkstatt mit den beiden
Hochwebstühlen, auf die die Teppiche mit den historischen Darstellungen für Louis XII. gespannt waren.
    Unterstützt wurde er von seiner Frau, dem neuen Arbeiter Landry und Pierrot, der mit seiner Lehre fertig war und allmählich recht gut an den Flachwebstühlen arbeiten konnte. Er sollte Arnaude zur Hand gehen, zum Beispiel die Rapporte auf den Kettfäden eintragen oder die Kartons anbringen, wobei er darauf achten musste, dass er sie exakt so befestigte, dass Vorder- und Rückseite übereinstimmten.
    Alix teilte sich die andere Werkstatt mit Julio und Mathias. Alle drei arbeiteten an den sechs Teppichen mit Einhorn-Motiven für die Comtesse d’Angoulême, an den Jungfrauen des Vatikans und an dem Weihnachtsthema für Johanna von Kastilien.
    Noch am Abend desselben Tages, an dem alle Aufgaben und Zuständigkeiten festgelegt worden waren, beschloss Alix, Jacquou ab sofort ein bisschen zu vergessen - sie wollte ihn ganz hinten in ihren Gedanken vergraben, wo sie ihn aber jederzeit wieder vorholen könnte, wenn sie seinen Zuspruch brauchte.
    Blieb nur noch ein Problem, das aber vielleicht das wichtigste von allen war. Wie sollte sie in Zukunft ihre Erzeugnisse verkaufen? Für die Teppiche, die noch zu Lebzeiten ihres Mannes bestellt worden waren, galt die Einschränkung nicht, weil er in seiner Funktion als Webermeister dafür eingestanden hatte. Aber wie sollte es weitergehen?
    Als Witwe eines Webermeisters hatte sie zwar das Recht,

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