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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Jacquous liebevolle Blicke anhalten würde, an die leidenschaftlichen Worte, die er ihr abends ins Ohr geflüstert hatte, und an seine zärtlichen Hände auf ihrem bebenden Körper. Mal kam es ihr vor, als wäre das alles eben erst gewesen, dann wieder schien es ihr eine Ewigkeit her zu sein.
    Wenn nur die Pest nicht gekommen wäre! Diese verfluchte Seuche hatte endlich das Loiretal verlassen und suchte nun das Tal der Seine heim - hinterhältig, unaufhaltsam, ohne Maß und Mitleid breitete sie sich weiter aus und hinterließ eine Spur der Verwüstung, zahllose Opfer unter den Menschen, die nicht vor ihr hatten fliehen können. Oh Gott! Wie hatte sie bei dem Gedanken an all die Türen gezittert, die zugenagelt wurden, damit die Seuche nicht aus den Häusern gelangte und sich in den Straßen ausbreiten konnte, wenn auch die Luft dort ohnehin bereits verpestet war.
    Die schreckliche Zeit war vorbei, aber die teuflischen Bilder blieben. Nicht eine Familie hinter all diesen verdammten Türen war verschont geblieben. Alle Städte im Val de Loire waren die reinsten Massengräber. Überall hatte man tiefe Gruben ausgehoben, mit ungelöschtem Kalk gefüllt und Tausende von aufgedunsenen, entstellten und verwesenden Körpern hineingeworfen und verbrannt, die nichts Menschenähnliches mehr hatten.
    Alle Familien waren nun damit beschäftigt, ihre Toten zu zählen und zu beweinen; kaum eine war noch vollzählig. Den Überlebenden
blieben die Verstorbenen für immer im Gedächtnis. Natürlich musste man irgendwie mit seinem Kummer weiterleben, sich so gut es ging mit den Mängeln einer Gesellschaft, einer irdischen Welt einrichten, die eben nicht Herr über Leben und Tod war, was Alix durchaus bewusst war, wenn sie ihren traurigen Gedanken nachhing.
    Aber was half das schon! Das Leben ging weiter, und die sterblichen Hüllen der Toten waren in den unergründlichen Tiefen einer Erde verschwunden, die sich auf eine neue Jahreszeit vorbereitete. Ein heiterer Winterhimmel versprach neue Hoffnung und einen neuen Anfang.
    Die Frauen, die überlebt hatten, wollten wieder Kinder gebären, und so schloss sich der Kreis. Alix blieb allein mit ihrem Schmerz und ihrer Trauer, die dermaßen an ihr nagten, dass ihr alles wehtat - der Kopf, das Herz und der Bauch, in dem sich jetzt manchmal das Kind rührte.
    In der ersten Zeit nach der Tragödie war die junge Frau vollkommen unempfänglich für alles gewesen, was sich um sie herum abspielte. Wie eine Schlafwandlerin versorgte sie Nicolas, fütterte, wusch und wiegte ihn, wobei sie aber unablässig auf die Webstühle starrte, an denen Julio, Landry und Pierrot arbeiteten. Einen ersten Vorrat an neuen Garnen und Fäden hatte man aus dem Haus des verstorbenen Gauthier geholt und eilends in die Werkstätten gebracht, die zuvor desinfiziert worden waren.
    Diese erste schwere und schier endlose Phase wurde irgendwann von etwas erträglicheren Zeiten abgelöst. Wenn Alix nachts nicht schlafen konnte, verließ sie das Haus, ging in ihre Werkstatt und arbeitete, aber nicht mehr wie eine geistlose Maschine, sondern mit einem Feuereifer und einer Ausdauer, zu der sie sich durchgerungen hatte, weil sie sonst nicht hätte weitermachen können.

    Sie setzte ihren Hochwebstuhl in Gang und webte, suchte immer schönere und kostbarere Fäden aus und musste sich immer wieder die Ohren zuhalten, um nicht ständig aufs Neue das Röcheln ihres sterbenden Jacquou zu hören. Wenn sie vergessen wollte, arbeitete sie an den Kartons für ihren neuen Teppich - die Begegnung am Hofe .
    Wie in allen anderen Städten auch hatte man in Tours sämtliche Häuser desinfiziert und alles verbrannt, was man nicht unbedingt brauchte, und ganz allmählich ging das Leben wieder seinen gewohnten Gang. Eines Morgens tauchte die Bertille wieder auf, abgemagert und kleinlaut. Aber nachdem ihr Alix von Gauthiers Tod berichtet hatte, beschloss sie, ihr keine Vorwürfe zu machen. Schließlich war sie mehr als froh, dass Bertille zurück war und sich wieder um den ganzen Haushalt kümmerte. Was hätte sie ihr auch vorwerfen sollen? Wenn die arme Bertille damals den alten Webermeister gepflegt hätte, wäre sie auch schon längst tot!
    Zum Glück hatte Alix wenigstens keine Geldsorgen und musste sich zunächst einmal keine Gedanken um ihren Lebensunterhalt machen. Der alte Mann hatte ihr sein schönes großes Haus hinterlassen, und in ihrer Werkstatt warteten genug Aufträge.
    Einige Wochen später konnte sie dann auch Arnaude in die Arme

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