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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Persönlichkeiten, die bestätigen können, dass ich eine ehrenhafte und anständige Frau bin. Wenn Ihr wollt, kann ich Euch Namen nennen, damit Ihr euch über mich erkundigen könnt?«
    Jetzt fühlte sie sich ein klein wenig beruhigt, aber dieser Zustand hielt nicht lange an. Die Tür öffnete sich, und ein Mann kam auf sie zu, den sie nicht kannte, dessen Namen sie aber ahnte.
    Der Mann war kein Soldat und auch kein Vertreter des Gesetzes, sondern ein Herr. Das erkannte man sofort an seiner vornehmen Haltung und seinen Bewegungen. Er musste etwa sechzig Jahre alt sein, hatte hellgraue Augen und eine hohe, glatte Stirn, aber ein ziemlich rundes Gesicht mit dicken Backen und einem Doppelkinn.
    Offensichtlich wollte er durch sein äußerst elegantes Auftreten seine Zugehörigkeit zum hohen Adel betonen. Er trug ein schwarz eingefasstes Wams aus rotem Samt mit weiten Ärmeln und einen dazu passenden eckigen Hut, der mit einem gelben Edelstein verziert war.
    Einer der beiden Männer, die hinter dem Tisch standen, wollte auf den alten Herrn zugehen, überlegte es sich aber anders und wandte sich wieder an Alix.

    »Ihr sollt Eure Erklärung vor Seigneur de La Tournelle abgeben.«
    Alix richtete sich auf und deutete mit dem Finger auf den Mann, der eben das Zimmer betreten hatte.
    »Dann seid Ihr es also, der zusammen mit Sire Mortagne und dem Erzbischof de Lenoncourt meinen Untergang beschlossen hat! Könnt Ihr mir sagen, was ich Euch getan habe, dass Ihr mich vernichten wollt, indem Ihr eine üble Geschichte erfindet, die Eures Namens unwürdig ist?«
    Einen Augenblick lang wirkte der alte Seigneur de La Tournelle verlegen und wollte etwas entgegnen, aber Alix ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen:
    »Was geht Euch diese ganze Angelegenheit überhaupt an? Die kleine Madonna, die ich angeblich gestohlen haben soll, stand schließlich im Sprechzimmer des Erzbischofs.«
    »Aber sie hat mir gehört.«
    »Ihr wisst sehr wohl, dass ich nichts gestohlen habe, Seigneur de La Tournelle, und dass ich den Erzbischof von Reims auf Anraten Eures Sohnes aufgesucht habe, für den mein Mann und ich ein Ensemble aus sechs Wandteppichen mit historischen Motiven gewebt hatten.«
    »Lasst meinen Sohn aus dem Spiel. Er hat nichts mit der Sache zu tun.«
    »Das würde ich Euch nur allzu gern glauben. Jedenfalls ist unser Verhältnis sehr freundlich und sehr friedlich.«
    Plötzlich wurde das Gesicht des alten Herrn rot, was sehr gut zu seinem Wams passte. Er drohte Alix mit dem Finger und sagte:
    »Ihr werdet den Prozess nicht gewinnen, den wir Euch machen!«
    »Ihr gebt mir gar nicht erst eine Chance«, entgegnete sie, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Natürlich, Sire Mortagne
ist sehr mächtig und Sire Van Thiegen nicht weniger. Und was Euch betrifft, so bildet Ihr zusammen mit Erzbischof de Lenoncourt für mich ein unüberwindliches Hindernis. Sei’s drum! Aber wenn Ihr mir den Prozess machen wollt, dann kämpft ehrlich und lasst die peinliche Geschichte mit dem erfundenen Diebstahl. Ich erkläre mich mit einem Prozess einverstanden, Sire de La Tournelle, aber nur, wenn es ausdrücklich darum geht, dass ich mir angeblich zu Unrecht die Freiheit genommen habe, meine Tapisserien mit dem ›T‹ für Tours zu signieren.«
    Da öffnete sich wieder die Tür, und ein Mönch betrat den Raum. Er war nicht sehr groß, etwa um die dreißig, hatte ein rundliches, rosiges Gesicht und trug stolz seine braune Wollkutte mit einem Strick als Gürtel.
    Beinahe hätte Alix vor Freude geschrien, konnte sich aber gerade noch beherrschen und zog es vor, still abzuwarten.
    »Ich möchte Seigneur de La Tournelle sprechen«, sagte der Mönch und machte ein paar eher zaghafte Schritte ins Zimmer.
    An seiner Haltung und vor allem an seinem Blick spürte man aber sofort, dass Abbé Mirepoix weder ängstlich noch schüchtern war. Auf leisen Sohlen bewegte er sich auf die beiden Männer hinter dem Tisch zu, die ihn erstaunt ansahen.
    »Bitte erlaubt, dass ich Euch etwas zeige, Messires«, sagte der Abbé und holte ein kleines, in ein rotes Tuch gewickeltes Paket aus seiner Kutte. Dann wandte er sich zu Alix um und strahlte sie so zuversichtlich an, dass sie wusste, er war gekommen, um ihr zu helfen.
    »Dieser Gegenstand gehört Seigneur de La Tournelle«, erklärte er den beiden Männern. »Bitte, nehmt das Päckchen und öffnet es.«
    Er legte es auf den Tisch, und einer der beiden Männer griff danach. Alix kam etwas näher, damit sie besser sehen

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