Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
der andere im letzten Augenblick gehalten hätte.
    »Hör mal, Mädchen, wenn du weiter so rumschreist, bringen wir dich zum Schweigen.«
    »Mit welchem Recht duzt Ihr mich eigentlich? Ich bin keine …«
    »Du bist eine Diebin, und wir bringen dich jetzt zur Porte Saint-Vincent.«
    »Aber warum denn? Was soll ich denn getan haben?«
    Der Kleinere lachte hämisch, während sie sein Begleiter beschimpfte.
    »Halt den Mund, du Luder! Sonst schlagen wir dich bewusstlos.«
    Sie brachten Alix zu einem Wagen, der in der Nähe wartete, ließen sie hinaufklettern und schubsten sie auf die hölzerne Sitzbank.
    »Was habe ich denn verbrochen?«, rief Alix wieder.
    »Das wirst du schon noch früh genug erfahren.«

    Als sie merkte, dass die beiden Wachen ganz offensichtlich nicht bereit waren, ihr weniger feindselig zu begegnen, versuchte sie erst einmal ihren eigenen Groll zu besänftigen.
    »Ihr müsst euch täuschen, ganz bestimmt«, sagte sie und bemühte sich jetzt, ruhig zu klingen. »Ich bin Dame Cassex, die Frau eines Webermeisters.«
    Leider änderten ihre Bemühungen nichts an dem Verhalten der beiden Männer.
    »Um ehrlich zu sein, bin ich Witwe«, sagte sie, nun etwas lauter. »Mein Mann ist vor kaum drei Monaten der Pest zum Opfer gefallen.«
    Der Kleinere lachte wieder höhnisch.
    »Du bist kaum die einzige Witwe.«
    »Das ist wahr, ich bin wirklich nicht die einzige!«, sagte Alix traurig.
    Bei der Porte Saint-Vincent - sie befand sich gegenüber der Brücke über die Loire -, brachte man sie in ein Gebäude an der Rue des Filles-Dieu in Richtung Saint-Pierre-des-Corps. Der Raum, in dem sie sich wiederfand, hatte nur zwei kleine Spitzbogenfenster, weshalb es dort ziemlich dunkel war.
    Zwei Männer standen hinter einem Tisch mit einem dicken dunkelblauen Teppich darauf, auf den sie eine Lampe, Hüte und Schwerter gelegt hatten. Erst musterten sie Alix lange wortlos, dann riefen sie nach zwei Hellebardieren, die Alix mit der Waffe in der Hand in die Mitte nahmen.
    »Wie heißt Ihr?«, fragte einer der beiden Männer, der sich an den Tisch gesetzt hatte.
    Voller Angst sah Alix die sechs Männer an, die sie umringten, und antwortete dann mit unsicherer Stimme:
    »Ich bin Dame Alix Cassex, die Witwe von Maître Jacques Cassex, mit einer Tapisseriewerkstatt an der Place Foire-le-Roi.«
»Ihr seid des Diebstahls angeklagt.«
    Wenn sie auch ein wenig erleichtert war, dass sie die beiden Männer am Tisch immerhin nicht duzten, wurde sie jetzt doch ganz blass.
    »Des Diebstahls angeklagt!«, wiederholte sie leise.
    Ihre Hände zitterten, sie hätte am liebsten laut geschrieen, und obwohl sie die Antwort auf ihre Frage bereits zu kennen glaubte, stammelte sie:
    »Wer beschuldigt mich?«
    »Seigneur de La Tournelle.«
    »Das kann nicht sein«, sagte sie mehr zu sich selbst, weil sie nicht begreifen konnte, warum er den Namen La Tournelle genannt hatte und nicht Lenoncourt. Sie erinnerte sich an Maître Mortagnes eisige Miene und die noch unbarmherzigere von Van Thiegen. Würden diese Männer sie denn nie wieder in Ruhe lassen? Nein, bestimmt nicht! Alix holte tief Luft, weil sie sehr gut wusste, dass sie als junge Witwe in den Augen all dieser Männer, die sich über sie lustig machten, weil sie sich im Recht fühlten, einen schlechten Stand hatte.
    Plötzlich fielen ihr die mutigen und frechen Worte wieder ein, die sie dem Erzbischof de Lenoncourt ins Gesicht geschleudert hatte. Und natürlich erinnerte sie sich auch an seine schallende Ohrfeige, die sie gegen die Wand geworfen hatte. Gleichzeitig spürte sie voller Sorge, wie aggressiv diese Männer waren, denen man gesagt hatte, sie sei eine Diebin. Gütiger Himmel! Dabei schien ihr das alles schon so lange her, jetzt wo Jacquou tot war.
    »Was hat der Erzbischof gesagt?«
    »Welcher Erzbischof?«
    Alix antwortete nicht und überlegte. Offenbar hatte sich der Erzbischof von Reims nicht in die Angelegenheit eingemischt, sondern es seinem Freund, Seigneur de La Tournelle, überlassen,
sie anzuklagen. Vielleicht war das aber sogar von Vorteil für sie, weil sie die Sache so nicht direkt mit einem Geistlichen ausfechten musste.
    »Ich bin keine Diebin, Messires«, wehrte sie sich endlich, »und ich bitte darum, dass Eure Hellebardiere ihre Waffen senken. Sie haben sie so drohend auf mich gerichtet, als wäre ich Frankreichs Erzfeind.«
    »Werdet bloß nicht frech, Dame Cassex!«
    »Ich bin nicht frech, Messire, ich beharre nur auf meinem Recht. Es gibt einige hochgestellte

Weitere Kostenlose Bücher