Die Seidenstickerin
ihm das Recht.«
Jetzt klemmte das Mädchen die immer widerspenstigere Locke hinters Ohr.
»Wird Anne de Bretagne Verständnis für uns haben, Mutter?«
Louise erschrak bei dem Gedanken an ihr künftiges Zusammenleben mit der Königin, das nur kompliziert werden konnte.
»Wir benehmen uns einfach so, dass wir in Frieden und Eintracht leben können, mein Kind.«
Louise konnte den Verdacht, der in Marguerites grauen Augen aufblitzte, nicht übersehen.
»Habt Ihr auch daran gedacht, dass sie vielleicht gar nicht in Frieden und Eintracht mit uns leben will, Mutter?«
»Großer Gott, warum sollte sie das nicht wollen?«
»Solange sie keinen Sohn bekommt, sind wir schließlich eine Gefahr für sie.«
Der Scharfblick ihrer Tochter überraschte Louise nicht – daran war sie gewöhnt. Oft genug hatte Marguerite schon ihren gesunden Menschenverstand bewiesen. Im Brustton der Überzeugung, die sie schon längst nicht mehr in Frage stellte, flüsterte sie ihrer Tochter ins Ohr:
»Sie bekommt keinen Sohn.«
Das Mädchen lächelte erleichtert. Sie wusste, dass sie sich auf die Prophezeiungen ihrer Mutter verlassen konnte.
»Müssen wir denn wirklich aus Cognac weg?«
»Du weißt doch, dass König Louis dein Vormund ist, Marguerite, und dass er jetzt mehr denn je ein wachsames Auge auf uns haben muss.«
»Ihr seid jetzt dreiundzwanzig, Mutter. Könnte er Euch denn nicht die beiden Jahre schenken, die Euch noch zum gesetzlichen Vormund fehlen? Warum lässt er Euch nicht einfach freie Hand?«
»Das geht nicht, Marguerite, weil wir nicht irgendeine Familie sind. Dein Bruder wird voraussichtlich die Krone erben. Deshalb will der König diese zwei Jahre nutzen und Euch selbst erziehen.«
»Soll das heißen, dass er uns nach seinen Wünschen formen will?«
»Ja, da hast du Recht, mein Liebling, und das betrifft auch mich.«
»Müsst Ihr deshalb Monsieur de Saint-Gelais verlassen?«
Louise nickte nur und strich Marguerite zärtlich über das Haar. Wie einfach es doch war, seiner Tochter alles zu erklären!
Sie küsste sie auf die Stirn, sagte ihr gute Nacht und kehrte zu Jean zurück, der sie bereits sehnlich erwartete. Doch kaum hatte sie sich zu ihm gesetzt, als Catherine erschien und ihr einen Brief überreichte.
»Den hat gerade ein Bote für Euch gebracht, Dame Louise.«
»Wartet er auf Antwort.«
»Nein, er hatte noch einen weiten Weg vor sich und wollte keine Zeit verlieren.«
Ungeduldig öffnete sie den Umschlag, weil sie die Handschrift ihrer Freundin Alix erkannt hatte.
»Ich habe so lange nichts mehr von ihr gehört«, murmelte sie. »Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich den Brief leise lese, Jean?«
Sie vergewisserte sich seiner Zustimmung und vertiefte sich dann in die Lektüre, während sich Jean still neben sie setzte. Er sah traurig aus; kein Wunder, wie hätte er auch vergessen sollen, dass er seine Beziehung zu Louise aufgeben musste?
Liebe Louise,
bei meiner Abreise hatte ich Euch versprochen zu schreiben, was mir aber leider bis heute nicht möglich war, so sehr überstürzten sich die Ereignisse.
Nachdem ich Angoulême verlassen hatte, bin ich zunächst nach Tours zurückgekehrt, wo mir aber Pierre de Coëtivy nur Steine in den Weg gelegt hat. Mir war klar, dass ich dort nichts erreichen würde. Also machte ich mich auf den Weg nach Nantes, weil ich seiner Frau die ganze Geschichte erzählen wollte. Sie hat mich in ihr Herz geschlossen und mir auch gesagt, wo ich Jacquou suchen sollte. In Enghien, im Norden, habe ich ihn dann auch gefunden. Ach, Louise, wie soll ich Euch nur beschreiben, wie glücklich ich mit ihm bin? Bestimmt könnt Ihr Euch das überhaupt nicht vorstellen, nachdem Ihr mich so traurig und niedergeschlagen erlebt habt.
Wir haben dann gemeinsam den Norden verlassen, weil Jacquou jetzt seine Meisterprüfung abgelegt hat und wir unsere eigene Werkstatt aufmachen können. Was wir auch getan haben, sobald wir wieder in Tours waren. Die Werkstatt ist in der Rue du Pont-du-Roi. Sie ist zwar nicht besonders groß, aber mit den ersten Aufträgen kommen wir ganz gut hin, und wenn das Geschäft erst läuft, wollen wir sie vergrößern. Ach, Louise, die Liebe und die Arbeit entlohnen uns für alles, und wir lassen uns das nie wieder zerstören. Das Schicksal hatte es ja bisher nicht besonders gut mit mir gemeint; dafür bekomme ich jetzt aber auch alles, was ich mir so sehr gewünscht habe.
Zurzeit habe ich so viel zu tun, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.
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