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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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ausgezeichneter Weber galt, der seinen Beruf mit der erforderlichen Kunstfertigkeit beherrschte.
    Jeden Morgen ließ Jacquou seine kleine Welt Revue passieren; sie war vielleicht etwas zusammengewürfelt, aber die Atmosphäre war sehr freundschaftlich und herzlich.
    Da war zunächst Arnold, mit seinen knapp dreißig Jahren der Älteste, ein guter Arbeiter, den Coëtivy rausgeworfen hatte, weil er Alix zur Flucht verholfen hatte, als der sie eingesperrt hatte. Dann gab es Arnaude, seine Frau, die auch eine gute Teppichweberin war. Sie hatte Coëtivys Werkstatt, lange bevor Arnold vor die Tür gesetzt worden war, verlassen müssen, weil sie ein Kind bekommen hatte. Weil sie nicht gleichzeitig arbeiten und ihr Kind großziehen konnte, hatte sie sich entscheiden müssen. Nun, und jetzt saß sie wieder an ihrem Platz in der Werkstatt und hatte ihren kleinen Guillemin dabei.
    Dann war da noch Mathias, der mit ihnen zusammen aus Flandern zurückgekommen war. Er lernte jetzt erst das Weben, genau wie seine junge Frau Florine. Die beiden hatten geheiratet, sobald sie in Tours eine Bleibe gefunden hatten.
    Abgesehen von diesen beiden Paaren, die Meister Jacquou anleitete, gab es dann noch Alix, deren Arbeitseifer vor keiner Herausforderung zurückschreckte.
     
    Jacquou drehte sich zu ihr um. Sie schien sich mit Feuereifer an den Auftrag zu machen, den sie von Seigneur Louis de La Tournelle bekommen hatten, dessen Schloss nur wenige Meilen von Tours entfernt war.
    Man war sich schnell einig geworden, weil Louis de La Tournelle eine Anzahlung gemacht hatte, die genügte, um die Leinwände und die ersten Fadenrollen zu kaufen; und nachdem man sich auf eine Lieferung in Etappen geeinigt hatte, konnten sie unverzüglich mit der Arbeit beginnen.
    Es handelte sich um ein Ensemble aus fünf großen Teppichen mit damals beliebten historischen Themen, wobei auf die Jagd nach dem Einhorn besonders viel Wert gelegt wurde. Nachdem sie nicht die Zeichnungen eines großen Malers als Vorlage nehmen mussten, verwendeten sie die Kartons, die sich in der Werkstatt stapelten, als Modelle für die Darstellungen. In dieser Hinsicht verließ sich Jacquou ganz auf seine Frau, die das erforderliche Vorstellungsvermögen für diese phantasievollen Kreationen besaß.
    Jacquou hatte großes Glück mit seinen Arbeitskräften, denen er zunächst nicht ihren vollen Lohn zahlen konnte. Arnaude, eine zuverlässige Arbeiterin, hatte ihm einen Vorschlag gemacht, von dem beide Seiten profitierten. Sie durfte ihren vierjährigen kleinen Sohn mit zur Arbeit nehmen und begnügte sich dafür mit einem geringeren Lohn, weil sie dafür keine Amme zahlen musste.
    Und Arnold, der als Einziger angemessen entlohnt wurde, war sein Geld allemal wert, weil er die Arbeit vorantrieb – Florine und Mathias lernten nämlich noch mehr als dass sie profitabel arbeiteten.
    Jacquou und Alix arbeiteten so lange es irgend ging und machten die Nacht zum Tag. Die Wandteppiche für Seigneur de La Tournelle mussten bis zum Winter fertig sein. Jetzt war es gerade Frühling geworden, und wenn die beiden jungen Leute so fleißig weiterarbeiteten, sollten sie ihre Arbeit im November oder spätestens Dezember abliefern können.
    Dieses hohe Arbeitstempo würden sie nicht lange aushalten, aber im Moment hatten sie keine andere Wahl. Dieser erste große Auftrag war so wichtig, damit die Werkstatt richtig anlief.
    Nicht selten blieb Jacquou sogar über Nacht in der Werkstatt, um sich nach wenigen Stunden Schlaf wieder an die Arbeit zu machen, was ihm angeblich nichts ausmachte. Manchmal blieb Alix bei ihm und teilte mit ihm sein hartes Lager, einen Strohsack, der in einer Ecke der Werkstatt lag.
    Das junge Paar hatte eine kleine Wohnung an der Place Foire-le-Roi gefunden, gleich gegenüber von der Île Saint-Jacques, wo man die Loire überqueren kann. Die Wohnung hatte zwar nur zwei Zimmer, war ihnen aber unter den gegebenen Umständen nicht zu eng. Sie hätten zwar schon ein größeres und bequemeres Haus mieten können, aber das Geld, das Jacquou dabei sparte, hatte er lieber in die Ausstattung der Werkstatt gesteckt.
    Arnold und Arnaude wohnten noch immer in ihrem kleinen Haus in der Grande-Rue, gleich neben der Kirche Saint-Julien. Und Mathias und Florine, die etwas Geld von ihrer Tante bekommen hatte, mieteten ein baufälliges Häuschen in der Rue de la Sellerie auf der anderen Seite des Flusses, gleich am Waldrand; es hatte einen kleinen Garten, in dem sie Gemüse anbauten.
     
    Der

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