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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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roten Backen sah man ihm an, wie sehr ihn dieses Gespräch begeisterte.
    »Und du kriegst einen Waffensaal«, sagte Marguerite, und beide lachten. »Den brauchst du unbedingt, wenn du ein großer Edelmann werden willst.«
    François beobachtete seine Schwester aufmerksam, versuchte sich ein wenig zu beruhigen und ihre zufriedene Miene zu kopieren.
    »Und was kriegst du?«
    »Ich kriege einen Saal, in dem ich tanzen lerne. Dann zeig ich dir, wie man Gavotte und Sarabande tanzt.«
    »Haben wir auch Pferde?«, fragte François auf einmal verunsichert.
    »Aber natürlich haben wir Pferde! Im Stall stehen die schönsten Hengste, die man je bei Hof gesehen hat, und du darfst sie aussuchen. Wir bekommen sogar eine Voliere, in der wir unsere Papageien und Buntspechte halten.«
    »Und ein paar Falken!«
    »Und einen Reiher!«
    Jetzt schien Louise der Augenblick günstig, sich in die Unterhaltung ihrer Kinder einzumischen, aber nicht, um sie zu beenden, sondern um sie fortzuführen.
    »Und ihr werdet sehr schöne Kleider aus Samt und italienischem Brokat tragen.«
    Sie sah sich im Zimmer um und trat zu dem großen Bett, in dem ihre Kinder sich aufgeregt unterhielten – was nur verständlich war. Hapaguai hatte es sich auf dem Pelz bequem gemacht, der die Füße ihrer Tochter wärmte.
    Prunelle schlief zusammengerollt in François’ Armen.
    »Ich will Bären, Wölfe und Wildschweine jagen«, erklärte der Junge großspurig und versuchte Prunelle loszuwerden, damit sie seiner Mutter nicht im Weg war.
    Die kleine Hündin fühlte sich aber viel zu wohl, als dass sie gehorchen wollte, und knurrte nur missbilligend. Louise seufzte und begann auf die Steppdecke zu trommeln, um Prunelle zu verscheuchen.
    »Du hast wohl vergessen, dass du bisher nur Mulis reiten darfst, François.« Und als ihr Sohn etwas einwenden wollte und sie sah, dass Prunelle nicht mehr murrte, streichelte sie den Hund und sagte:
    »Ihr müsst jetzt aber wirklich schlafen! Oder wisst ihr etwa nicht mehr, dass wir morgen früh aufbrechen?«
    Dann schubste sie Prunelle vom Bett und nahm ihren Sohn auf den Arm, ohne sich um das ärgerliche Knurren des Tiers zu kümmern.
    Louise stellte fest, dass ihr Sohn von Tag zu Tag schwerer wurde, und rief vergnügt:
    »Deine Knochen werden immer schwerer, mein Junge. Bei meiner Ehre, ich schwöre, dass ich dich heute zum letzten Mal getragen habe!«
    Alle brachen in fröhliches Gelächter aus, weil keiner diese Bemerkung ernst genommen hatte, und die Zofe, die gerade ihren Kopf durch die Tür gesteckt hatte, wartete erstmal ab.
    »Du kannst jetzt gehen, Catherine, aber denk dran, dass du die Kinder vor Morgengrauen wecken musst.«
    Durch die schmale Verbindungstür mit ihrer dicken dunkelblauen Tapete ging Louise in das Zimmer von François, legte ihn ins Bett, deckte ihn behutsam zu, küsste ihn auf die Stirn und sagte leise:
    »Schlaf gut, mein kleiner Cäsar. Träum schön von deiner strahlenden Zukunft.«
    Ganz leise war ihnen Hapaguai wie ein Schatten gefolgt, der nicht bemerkt werden wollte, und legte sich jetzt zu Füßen seines jungen Herrn. Mit einem Auge vergewisserte er sich noch, dass ihn Louise nicht wieder vertrieb.
    Louise wartete, bis das Kind eingeschlafen war, streichelte den Hund und ging zu ihrer Tochter zurück.
    Marguerite lag in ihrem Bett, den Oberkörper an ein dickes Kopfkissen gelehnt, und Prunelle hatte jetzt den Platz von Hapaguai eingenommen.
    »Wird uns der König mögen, Mutter?«
    »Ganz bestimmt, mein Liebes.«
    »Und wird er uns auch beschützen?«, fragte das Mädchen.
    »Aber ja, sonst hätte er uns ja in Cognac bleiben lassen können. Ich bin der festen Überzeugung, dass er uns beschützt.«
    Marguerite runzelte die Stirn, auf der sich eine widerspenstige Locke zeigte.
    »Ist es wahr, dass er seine Frau verstoßen hat?«, fragte sie jetzt leise.
    Louise ging grundsätzlich keiner Diskussion mit ihrer Tochter aus dem Weg, auch wenn das Thema noch so heikel war. Mit ihrer gescheiten Art verstand sie es meist, die passenden Worte oder Formulierungen zu finden, um Marguerite zu überzeugen oder zu beruhigen.
    »Jeanne de France war nie richtig die Frau des Königs. Deshalb hat er den Papst gebeten, seine Ehe zu annullieren.«
    »Und das hat der Papst gemacht?«, fragte Marguerite und schnippte sich die störrische Locke aus dem Gesicht.
    »Ja«, antwortete ihre Mutter und sah ihr dabei in die Augen.
    »Und das gab ihm das Recht, sich eine andere Frau zu nehmen?«
    »Ja, Marguerite, das gab

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