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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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aufgeknöpfter Jacke. Er geleitete sie in das Gebäude, in dem sich einst die Zellen der Mönche befunden hatten. Durch lange Flure ging es vorbei an den Zellentüren, die zum Teil offen standen. Aus manchen der kleinen Räume drang Musik, grölender Gesang und schrilles Frauengekicher. Fygen konnte unschwer erkennen, dass sich die käuflichen Mädchen keineswegs durch die Heiligkeit des Ortes davon abhalten ließen, auch hier ihren Geschäften nachzugehen. Doch auch andere Klänge drangen an ihr Ohr: trauriges Schluchzen, verzweifeltes Weinen, Klagen und Beten. Die Trauer um den Verlust eines Kameraden, die schreckliche, dunkle Angst vor der eigenen Sterblichkeit. Die Schreie Verwundeter und Hilfloser. Trotz allem Prunk und Kurzweil, den die Soldaten suchten, die dunkle, böse Seite des Krieges war nie fern.
    Die kleine Zelle, in die der Adjutant sie führte, war annehmbar. Sie würden ohnehin nur für eine Nacht hier Quartier nehmen und mit etwas Glück bereits morgen hinter Neuss ein Schiff besteigen, das sie rheinabwärts nach Dordrecht bringen würde.
    Eckert schickte ihren Burschen um neues Stroh und einen Krug Wasser, und nachdem sie sich ein wenig erfrischt hatten, verkündete Fygen mit einem unternehmungslustigen, bernsteinfarbenen Funkeln in den Augen: »Am besten, wir machen uns nun auf die Suche nach meinem Mann.«
    Eckert, der beinahe den ganzen Tag über mürrisch geschwiegen und nicht ein Wort mehr als nötig mit ihr gewechselt hatte, seit sie Köln in den frühen Morgenstunden verlassen hatten, brummte unwillig: »Hier in Neuss? Das macht keinen Sinn. Wenn er bis hierher gekommen und ihm hier etwas zugestoßen wäre, hätten wir es längst erfahren.«
    »Aber wir können die Soldaten fragen, ob sie etwas über seinen Verbleib wissen.« Fygen blieb hartnäckig.
    »Die scheren sich einen Dreck um den Verbleib eines Zivilisten, noch dazu eines kölnischen. Wir gehören immerhin zu den Feinden.«
    Das leuchtete Fygen ein, dennoch überlebte ein winziger Funken Hoffnung in ihr, und es drängte sie, sich gegen besseres Wissen doch in den Gassen umzuschauen. Und wenn sie ehrlich war, dann reizte sie natürlich auch das bunte Treiben im Lager. »Nun, dann werde ich mir ein wenig die Zeltstadt ansehen«, erklärte sie Eckert entschlossen.
    »Dies ist nicht der Markt von Gent oder Brügge, auch wenn man es meinen könnte. Dies ist immer noch ein Heerlager. Hier im Kloster sind wir in Sicherheit. Wir sollten es nicht ohne Not verlassen.«
    »Nun, es steht dir frei hierzubleiben. Ich für meinen Teil werde mir jetzt die Stadt ansehen.«
    Kurz darauf tauchte Fygen in die belebte Hauptgasse ein, die zwischen den Buden geradewegs zur Erft hinunterführte, widerwillig gefolgt von Eckert, dessen vorgereckte Kiefer mürrisch mahlten. Sofort waren sie umgeben von Lachen, Schreien und den Rufen der Händler, die ihre Waren anzupreisen suchten.
    Ein schmutziges Kind mit verfilzten Haaren, nackten Füßen und zerlumptem Kittel streckte sein dürres Händchen aus und zupfte Fygen am Rock, um etwas zu erbetteln. Eckert schob es mit einem schiefen Seitenblick auf Fygen beiseite und scheuchte es fort. Jedoch nicht grober als unbedingt nötig, stellte Fygen befriedigt fest und verbarg ihr Lächeln. Eckert schien seine Lektion gelernt zu haben. Er wusste genau, dass sie keine Grobheiten duldete.
    Neugierig betrachtete Fygen das Durcheinander der Buden. Da lag eine Badestube neben einer Taverne, und daneben bot ein Tuchhändler seine Ballen feil, in unmittelbarer Nachbarschaft eines Juweliers, der sicher unter den Ausdünstungen seines anderen Nachbarn litt, denn in dessen Auslage befanden sich die verschiedensten Sorten mehr oder weniger frischen Fisches. In einer Hütte bot ein Barbier seine Dienste an, der die Ladenfront hochgeklappt hatte und lautstark sang, während er mit seinem Rasiermesser über die Kehle eines Kunden fuhr. Donnernde Schläge und beißender Qualm drangen aus einer Schmiede auf die Straße hinaus und mischten sich mit den Fettschwaden einer Fischbraterei. Ein paar aufreizend gekleidete Dirnen kamen direkt an ihnen vorbei, die Brüste hochgeschnürt in Ausschnitten, die mehr zeigten denn verbargen. Fröhlich riefen sie den Männern ihre zotigen Angebote zu, unterstrichen von obszönen Gesten, die Fygen erröten ließen. Die Frauen entdeckten den kräftigen Eckert, und eine besonders ausladende Dame diente sich ihm an. »Hallo, mein Teurer. Was willst du denn mit der dürren Gans? Hast du nicht genug

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