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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Kopf an Kopf und beschimpften sich auf das übelste. Es ging um eine Lebensmittellieferung für die Truppe, und anscheinend fühlte sich der Soldat, ein brutal aussehender Mann mit gefährlichem Blick, von dem Kaufmann betrogen. Das Getreide sei feucht gewesen und die Hälfte bereits verdorben. Zudem hätte das eingepökelte Fleisch fürchterlich gestunken. Immer lauter schrien sie aufeinander ein, so dass die Vorbeikommenden stehen blieben und die Kunden und Händler der Geschäfte ringsum neugierig herbeiliefen. Wild fuchtelte der Offizier mit den Armen und erklärte dem Kaufmann, dass er keineswegs gedachte, auch nur einen Pfennig für diesen Unrat zu bezahlen. Der Kaufmann könne sich ja beim Herzog persönlich beschweren, wenn er denn den Mut dafür aufbringen würde. Und ob er das tun würde, hielt der so Geschmähte dagegen. Er war gut einen Kopf kleiner als sein Gegner, hatte graues, schütteres Haar, blasse, wässrige Augen, und da wo der Soldat mit vom Kampf gestählten Muskeln bepackt war, hingen ihm dicke weiche Fettwülste vom Körper.
    Fygen hatte dem Streit bisher nur von ihrem Platz unter der Zeltplane aus zugehört, laut genug war er ja geraten, so dass jedes Wort gut zu verstehen war. Doch nun drängte die Neugier sie, sich den Zuschauern anzuschließen, die einen geschlossenen Ring um die beiden Widersacher bildeten. Eckert versuchte, sie zurückzuhalten, doch Fygen ließ sich den Spaß nicht nehmen. »Miesmacher«, murmelte sie leise vor sich hin, als sie aufstand und sich durch die Menge nach vorn drängelte, um einen Blick auf die beiden Streithähne zu werfen. Da sie von kleiner Statur war, fiel es ihr nicht schwer, sich zwischen den Leibern der Neugierigen nach vorn durchzuschieben.
    »Soldatenpack!«, zischte der Kaufmann geringschätzig und spuckte arrogant vor dem Offizier aus. Fygen sah, wie sich das wettergegerbte Gesicht des Truppenführers zu einer bösen Maske verzog, die ihr das Blut in den Adern gerinnen ließ. Sein schwarzer Blick wurde mörderisch. Von Fygens Standort aus konnte sie nur den Rücken des Kaufmannes sehen und das Gesicht auch nur im Profil. Ein Raunen ging durch die Menge, und Fygen fragte sich, ob der Kaufmann gemerkt hatte, dass er vielleicht gerade einen unverzeihlichen Fehler begangen hatte.
    Die Bewegung kam schnell, kaum wahrnehmbar, ausgeführt mit der Rechten. Metall blitzte auf, und der Kehle des Händlers entrang sich ein grauenvoller Schrei. Der rasche Hieb hatte sein Wams und die darunterliegende Bauchdecke gleich mit aufgeschlitzt. Der Kaufmann taumelte zur Seite und sank direkt vor Fygen in die Knie. Aus dem offenen Bauch quollen Gedärme in den Staub der Straße, bleich, übel riechend und vermischt mit einem Schwall hellroten Blutes. Fygen wurde übel, und sie würgte. Jetzt konnte sie auch das Antlitz das Kaufmannes von vorn erkennen. Das aufgedunsene Gesicht, die blassen wässrigen Augen, feiste Lippen, die fast zu rot waren für einen Mann. Ihr stockte der Atem. Mathys! Mathys Aldenhoven, ihr Onkel Mathys!
    Hilflos und angewidert zugleich sah sie mit an, wie Mathys einen schier unendlichen Moment lang verzweifelt versuchte, sich mit beiden Händen die Därme zurück in den Bauch zu stopfen. Dann verlor sein Gesicht alle Farbe, und er fiel zur Seite. Fygen schrie. Unbeherrscht stürzte sie nach vorn und kniete neben dem leblosen Körper ihres Oheims nieder. Mathys war ein geiziger Lüstling gewesen, der immer seinen Vorteil gesucht hatte, und es mochte schon sein, dass er den Offizier betrogen hatte, aber ein solches Ende hatte selbst er nicht verdient. Mitleid mit dem Alten erfasste sie, und sie begann hemmungslos zu weinen.
    Die Umstehenden wichen erschrocken ein Stück zurück, mochten sich aber nicht zerstreuen, denn viel zu sehr genossen sie das Schauspiel, das sich ihnen bot. Halblaut und hinter vorgehaltener Hand erörterten sie das Geschehen. Wer weiß denn, wozu der Offizier noch fähig war? Hatte der Kaufmann es wirklich gewagt, die Truppen des Herzogs zu betrügen? Dann hatte der Offizier zu Recht gehandelt. So eine Frechheit musste bestraft werden. Und die junge Frau? Sie war wohl die Gespielin des Kaufmannes. Sie war hübsch und anmutig, auch jetzt noch, da sie tränenüberströmt neben dem blutigen Leichnam hockte. Die Zuschauer sahen, wie der Soldat zu ihr trat, und rückten wieder näher. Um nichts in der Welt wollten sie ein Stück dieses Dramas verpassen.
    Grob stieß der Offizier Fygen mit dem Fuß an. »Vielleicht sollte ich dich

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