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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Leibwache Quartier bezogen«, schwatzte sie munter weiter.
    Als sie dem Kloster näher kamen, fuhr sie fort: »Seht Ihr die vielen Zelte im Apfelgarten?« Sie deutete auf eine Ansammlung von einstmals prachtvollen Zelten, die sich vor dem mächtigen Kirchengebäude abzeichneten. Wind und Sonne eines Jahres hatten der Farbenpracht deutlich zu schaffen gemacht, dennoch war die Zeltstadt ein eindrucksvoller Anblick. »Von hier aus leitet er die Belagerung. Er hat ein heizbares Prunkzelt mit zwei Räumen. Und stellen Sie sich vor: Er hat für sich selbst kein Feldbett aufschlagen lassen, sondern schläft des Nachts voll bewaffnet in einem Sessel.«
    Der Befehlsstand des Burgunders zog sich über das gesamte weitläufige Klostergrundstück, und der Wagen rumpelte ein gutes Stück weit entlang der Mauern, die es umschlossen. Sie passierten die Kirche, an deren Nordseite sich die Klostergebäude des Augustinerordens drängten, und als sie das Ende des Klostergeländes erreicht hatten, sog Fygen überrascht die Luft ein, denn der Anblick war überwältigend. Vor ihr breitete sich eine riesenhafte Stadt aus Hütten und Buden aus, die sich bis zum Flüsschen Erft hinunterzog und auf der anderen Seite bald bis an das Obertor, das südliche Stadttor von Neuss, heranreichte.
    Ein so großes Heer, das zudem beim Burgunderherzog in gutem Sold stand, zog eine Menge Volk an, das sich hier gute Geschäfte versprach. Spielleute, Schankwirte, Trödler, Bader, Gaukler, Spaßmacher und eine unsäglich große Anzahl Frauen und Mädchen boten an, womit sie Geld verdienen konnten. Alles, was die Truppe benötigte, und vieles darüber hinaus wurde hier feilgeboten, und die lange Dauer der Belagerung hatte diese enorme Ansammlung von Hütten entstehen lassen.
    »Um Holz zu schlagen für diese Budenstadt, haben sie das halbe kölnische und Jülicher Hinterland geplündert«, bemerkte die Weggefährtin ein wenig bitter und spuckte abfällig über den Rand des Karrens auf die Straße. »Die Hütten haben teilweise Öfen, Dachziegel und sogar Fensterglas. Man bekommt alles hier: Waffen, Tuche, Gewürze, Juwelen. So eine prachtvoll ausgestattete Belagerung hat die Welt noch nicht gesehen, da bin ich mir sicher.«
    Menschen liefen durcheinander, standen herum und redeten, schoben Karren vor sich her oder schleppten Bündel. Händlerinnen balancierten Körbe mit süßen Kuchen auf dem Kopf und erwehrten sich der Bienen, die um sie herumsummten. Gaukler warben für ihre Vorführungen, ein paar käufliche Mädchen in billigen Kleidern flanierten vorbei, und von einer Bratküche stiegen verführerische Duftschwaden auf.
    Fygen war von dem bunten Treiben fasziniert und betroffen zugleich. Wie sollte sie in diesem Menschengewimmel auch nur eine Spur von Peter finden? Dennoch konnte sie es kaum erwarten, dass der Karren ruckend zum Stehen kam. Am liebsten hätte sie sich sofort in das Getümmel gestürzt und mit ihrer Suche begonnen.
    Eckert half Fygen vom Wagen und lud ihre beiden Reisebündel ab. Sofort waren sie von einigen geschäftstüchtigen Menschen umringt, die ihnen Erfrischungen anboten oder ihre Dienste als Träger, Bote oder Führer zur Verfügung stellten. Alle redeten lautstark durcheinander, überbrüllten sich gegenseitig, um Gehör zu finden, und zupften an den Kleidern der Reisenden. Eckert suchte sich einen kräftigen Burschen aus und hieß ihn, die beiden Bündel zu schultern. Dann stapfte er voran, ein Stück des Weges zurück, den sie gekommen waren, geradewegs auf den Eingang des Klosters zu. Hier würden sie mit etwas Glück für die Nacht eine halbwegs anständige Bleibe finden. Im Stab des Herzogs würde sich schon der eine oder andere finden, der gegen gutes Geld bereit wäre, sein Zimmer abzugeben und die Nacht bei einem Kameraden oder einem Weibsbild zu verbringen. In der Budenstadt gab es zwar auch Hotellerien, aber Eckert traute den fahrenden Gastwirten nicht über den Weg. Die Unterkünfte wären bestenfalls dreckig und verlaust, im ungünstigeren Fall würde man des Morgens beraubt oder gar nicht mehr erwachen, erklärte er Fygen.
    Als sie das Klostergebäude betraten, umfing sie eine angenehme Kühle zwischen den dicken Steinmauern, das Einzige, was noch an die Ehrwürdigkeit dieses einst so stillen, frommen Ortes erinnerte. Uniformierte lungerten in der Eingangshalle herum, würfelten, tranken.
    Rasch wurde Eckert handelseinig mit einem bärtigen Adjutanten mit schmierigem, verschlagenem Gesicht, schmutziger Uniform und

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