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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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»Wenn ich gewusst hätte, dass es eine so atemberaubende Stütze war, die mir Halt geboten hat, ich hätte mich gleich noch einmal fallen lassen«, sagte Maximilian galant anstelle einer Begrüßung. Zu Fygens großer Verlegenheit hatte man ihr den Ehrenplatz direkt zur Rechten von Maximilian zugewiesen, gegenüber der Äbtissin des Stiftes St. Ursula. Doch der König, gerade ein Jahr jünger als Fygen, war ein glänzender und humorvoller Unterhalter, so dass Fygen bald ihre Scheu verlor. Recht anschaulich schilderte Maximilian dem Erzbischof und der Äbtissin die Geschichte seiner Errettung, und als die ersten Gänge des opulenten Mahles aufgetragen wurden, genoss Fygen das Festmahl in vollen Zügen. Der König wurde von Fürsten und Grafen bedient, während allen anderen von gut geschulten Bediensteten aufgewartet wurde, was jedoch die Erlesenheit und Raffinesse der Speisen keineswegs schmälerte. Doch weit größer als die Freuden des Gaumens war für Fygen der Genuss, den der Anblick der vornehmen Gäste ihren Augen bot, und sie musste sich zusammennehmen, um die hohen Herren und illustren Damen nicht unentwegt anzustarren. Die raffinierten Schnitte der Gewänder, die Kostbarkeit von Stoffen, Spitzen und Pelzverbrämungen, erlesenster Schmuck und die Kunstfertigkeit der Stickereien und Goldschmiedearbeiten ließen sie schier schwindeln. Nie zuvor hatte sie solch eine Pracht gesehen, und am liebsten hätte sie über die nebelzarten Stoffe der Schleier gestrichen, ihre Hände in die schweren Falten der festlichen Roben gegraben und das Gewicht der Goldringe und Edelsteine gespürt. Viel zu schnell war das Mahl vorbei, und wenn es nach Fygen gegangen wäre, hätte sie noch Stunden sitzen, dem angeregten Gespräch zwischen dem Erzbischof und Maximilian lauschen und ihre schillernde Umgebung in sich aufsaugen mögen. Doch mit gut gefüllten Mägen brach die erlauchte Gesellschaft auf, und man begab sich zum Tanz in den Gürzenich, das prächtige Kölner Tanzhaus.
    Um seine Entstehung vor beinahe vierzig Jahren hatte es mächtigen Ärger gegeben, denn der zweigeschossige Rechteckbau hatte während der siebenjährigen Bauzeit bis zu seiner Fertigstellung sage und schreibe achtzigtausend Gulden verschlungen, für die Stadtkasse eine gewaltige Summe. Der Bau erwies sich als schwieriger, als Stadtbaumeister Johann von Bueren gedacht hatte, da man erst zwei Geschosse tief unter Straßenhöhe tragfähigen Grund zu finden vermochte. Doch nun, da das Gebäude stand, waren die Kölnischen mächtig stolz auf ihre »gute Stube«, wie sie den Gürzenich liebevoll nannten. Und wo sonst hätte man Kaiser und König so gebührend, wie es sich für eine Stadt von Bedeutung geziemte, empfangen sollen?
    Einladend und verheißungsvoll fiel Licht aus den schlanken hohen Fenstern in die Nacht, als Fygen inmitten der Festgesellschaft das Tanzhaus erreichte. Im Obergeschoss umfing sie eine wundersame, beinahe märchenhaft anmutende Szenerie. Der prachtvolle, zweischiffige Festsaal war verschwenderisch mit Grün und Stoffbahnen geschmückt und wurde von Hunderten von Kerzen festlich erleuchtet. Riesige achteckige Leuchter hingen von der schwindelnd hohen, holzgetäfelten Decke herab. Eine Reihe schlanker Säulen in der Mitte des Saales wuchs an ihrem oberen Ende zu eleganten Bögen zusammen. In den mannshohen Kaminen an den Wänden flackerten lebhafte Feuer und strahlten Wärme und Behaglichkeit in den Saal. Zwischen den Säulen standen die Geladenen in angeregtem Gespräch, verzückte Paare wandelten umher, und Bedienstete boten in weißen Livreen diskret Erfrischungen an.
    Endlich, und zur Freude der Damen, eröffnete der Pfalzgraf mit einer der Edeldamen den Tanz. Die Tänzer formierten sich zu Reihen, und Fygen fand sich an der Hand eines der Ratsherren wieder, dann an der des Bischofs, an der eines Grafen, und irgendwann in der Nacht sah sie sich auch Maximilian beim Tanz gegenüber.
    Je weiter das Fest fortschritt, desto ausgelassener wurde die Stimmung. Der reichlich genossene Wein und der muntere Tanz röteten die Gesichter, und die Musiker taten ihr Bestes, um akustisch die Oberhand zu behalten.
    Schließlich verstummte die Musik, die Tänzer ließen voneinander ab und drängten sich an den Seiten des Saales zusammen. Denn nun wurde ein Pavillon hereingetragen, mit Wänden aus feinsten Gobelins. Unter dem prunkvollen Dach des Pavillons befanden sich Sänger und Musiker, welche die Gäste mit ihren Darbietungen aufs köstlichste

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