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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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erfreuten.
    Doch der in Fygens Augen wohl seltsamste Aufzug war der eines Paares, das in maurische Gewänder gekleidet war. Auf ihren Schultern saßen kleine Äffchen und machten allerlei seltsame Bewegungen und schnitten lustige Grimassen. Plötzlich erscholl ausgelassenes Gelächter unter den Zuschauern, als sie begriffen, dass die Äffchen keinesfalls Tiere, sondern geschickt verkleidete Kinder waren.
    Es war bereits drei Uhr in der Frühe, als sich das rauschende Fest schließlich seinem Ende zuneigte und König Maximilian, ganz Kavalier, den Damen persönlich zum Abschied köstliches Konfekt schenkte.
    Als Fygen in Begleitung eines Fackelträgers nach Hause ging, fühlte sie sich behaglich eingehüllt in eine duftige Wolke aus Heiterkeit, die auch der kühle Aprilwind nicht fortzuwehen vermochte. Sie hatte zu viel gegessen, zu viel getanzt und zu viel getrunken, doch es war ein wundervoller Abend gewesen, dachte sie schwärmerisch. Schade, dass Peter ihn nicht mit ihr hatte teilen können.
    Auf der Obermarspforten ertönte unerwartet Lärm, das Geräusch von Stiefeln auf dem Pflaster, und Männerstimmen riefen durcheinander. Als Fygen näher kam, erkannte sie, dass ein Karren auf der Straße stand, direkt vor dem Haus Zur Roder Tür, dem Wohnhaus der Ime Hofes. Ein hartes Klopfen auf Holz tönte durch die Nacht, dann vernahm sie eine gebieterische Stimme: »Schnell, öffnet!«
    Fygen erstarrte, als sie die Stimme erkannte. Es war Peter gewesen, ihr Mann, der gesprochen hatte. Eilig lief sie auf Peter zu und fasste ihn am Arm. »Was ist geschehen?«, fragte sie bestürzt, doch in dem Moment öffnete sich die rote Haustür einen Spaltbreit und ließ das verschlafene Gesicht des Hofmeisters erkennen.
    »Los«, herrschte Peter ihn an. »Lauf und weck deine Herrin! Hier ist Peter Lützenkirchen.«
    Träge ließ der Hofmeister seinen müden Blick über die Männer gleiten, die sich im flackernden Licht der Fackeln an dem Karren zu schaffen machten. Doch als die Männer einen leblos scheinenden Körper herabhoben, riss er entsetzt die Augen auf und stob voller Schrecken davon, um schleunigst Peters Befehl nachzukommen.
    »Vorsichtig! Seid vorsichtig!«, mahnte dieser die Männer, die mit ihrer Last auf den Schultern durch das Tor traten. Der Lichtschein einer Fackel fiel auf den dunklen Haarschopf und das ungewöhnlich bleiche Antlitz von Mertyn Ime Hofe, und mit einem Schlag war Fygen nüchtern. Der Zauber des Abends war verflogen.
    Auf der Treppe kam ihnen die aufgeschreckte Hausherrin entgegen. Über das duftige, leinene Nachtkleid hatte sie in der Eile einen zarten, fliederfarbenen Hausmantel geworfen, und die dunkelblonden Haare hingen in langen Zöpfen den Rücken hinab.
    »Wo ist seine Kammer?«, fragte Peter sie.
    »Dort entlang«, antwortete Katryn, drehte sich um und stieg vor ihnen die Treppe wieder hinauf.
    »Was ist geschehen«, fragte sie, an Peter gewandt. Sie wirkte gefasst, stellte Fygen bewundernd fest. Wenn man ihr Peter auf einer Trage nach Hause bringen würde, sie wäre sicher, sie würde haltlos zu schreien beginnen.
    »Wir waren auf der Messe in Frankfurt und hatten beinahe alle Geschäfte beendet, als er plötzlich von jetzt auf gleich zusammenbrach. Er hat schreckliche Schmerzen und kann sich kaum bewegen«, erklärte Peter. »Wir haben ihn in die Herberge geschafft, doch er bestand darauf, dass wir ihn nach Hause bringen. Also haben wir uns einen Karren besorgt und uns auf den Weg gemacht.« Müde strich er sich eine Locke aus dem Gesicht, die ihm in die Stirn gefallen war.
    Erst jetzt sah Fygen, wie entkräftet Peter war. Sein Gesicht wirkte grau, dunkle Schatten lagen unter den geröteten Augen, und Fygen fragte sich, wann er das letzte Mal geschlafen hatte.
    So vorsichtig es ging, betteten die Männer den halb bewusstlosen Mertyn auf seine Schlafstatt.
    »Der wird schon wieder«, bemerkte einer von ihnen tröstend, und schließlich folgten Fygen und Peter den Männern aus der Stube hinaus und die Treppe hinunter. Der Hofmeister hatte bereits nach einem Heilkundigen schicken lassen, mehr konnte man nicht tun.
    Peter und Fygen hatten gerade die Tür erreicht, als Katryns markerschütternder Schrei durch das Haus gellte. In Windeseile machte Fygen kehrt und rannte mit fliegendem Rock die Stiege hinauf. Mit schreckverzerrter Miene, die Augen weit aufgerissen und die Hände in die Haare gekrampft, stand Katryn vor Mertyns Bett und schrie.
    Behutsam, um ihrem Mann Erleichterung zu verschaffen,

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