Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
Vom Netzwerk:
machte.
    Es war ein kleines Mädchen, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, mit hochroten Wangen und aufgelösten braunen Zöpfen, das vor der Werkstatttür stand und klopfte, als gelte es das Leben.
    »Ja, sag einmal, was machst du denn hier für einen Lärm?«, tadelte Gertrud die Kleine und beugte sich vor, um sie besser erkennen zu können.
    »Ich muss ganz rasch zu Frau Lützenkirchen«, erklärte das Mädchen.
    »Ja, was willst du denn von Frau Lützenkirchen? Die arbeitet und kann nicht gestört werden.«
    »Aber es ist wichtig«, beharrte die Kleine und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.
    »Wenn es so wichtig ist, dann kannst du es auch mir sagen.« Gertrud verlor langsam die Geduld mit dem Mädchen. Außerdem zog es durch die geöffnete Tür kalt vom Hof herein.
    »Aber meine Mutter hat mir aufgetragen, die Nachricht nur Frau Lützenkirchen zu sagen und sonst niemand.« Das Mädchen schaute Gertrud flehentlich an.
    »Du bist die Tochter von Barbara Loubach, nicht wahr?«, fragte Gertrud, die es endlich geschafft hatte, das Gesicht des Kindes einzuordnen.
    »Ja, das bin ich. Bitte, bitte, lass mich zu Frau Lützenkirchen.«
    »Nun gut, wenn du meinst. Aber ich warne dich. Frau Lützenkirchen sieht es gar nicht gerne, wenn man sie wegen irgendwelchem Unfug stört.« Gertrud gab schließlich nach, zog das Mädchen in die Werkstatt hinein und schloss sorgfältig hinter ihr die Tür. Sollte sich ihre Brotherrin doch mit dem störrischen Kind herumärgern.
    »Meine Mutter hat mir aufgetragen, ich soll Euch sagen, dass man Marie zum Hühnermarkt vor das Seidamt befohlen hat. Ihr wüsstet dann schon Bescheid«, sagte die Kleine ihren Spruch auf.
    So war es nun also geschehen.
    »Danke dir, mein Kind. Das hast du gut gemacht«, lobte Fygen, bemüht, sich vor dem Mädchen ihren Schrecken nicht anmerken zu lassen. Abwesend griff sie nach einem Stück Karamell in der Schale, die auf ihrem Pult stand, und reichte es dem Kind. »Nun lauf schnell nach Hause und sage deiner Mutter vielen Dank«, sagte sie.
    Fygen hatte das Gefühl, alles um sie herum bräche zusammen. Ihr schwindelte, und für einen Moment musste sie sich an ihrem Schreibpult festhalten.
    Die Sache mit den Beginen war also ans Tageslicht gekommen. Sie hatte damit gerechnet, dass es eines Tages passieren könnte, das schon, aber wirklich daran geglaubt hatte sie nie. Nicht einem Moment lang. Die Gedanken in Fygens Kopf überschlugen sich. Ihr erster Impuls war, einfach zu flüchten, nach ihrem Umhang zu greifen und das Haus zu verlassen. Durch die Stadt zu streifen, wie sie es früher so gerne getan hatte. Einfach nicht da zu sein, wenn die Wachmänner kamen, um sie zu holen. Denn die würden nun sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen. Doch Fygen wusste, das würde nur einen Aufschub bedeuten und womöglich eine saftige Strafe nach sich ziehen.
    Sie war sicher, dass, wenn man sie befragen würde, sie nicht würde lügen können. Sie hatte den Frauen die Seide zum Spinnen gegeben. Und sie hatte gewusst, welche Strafe darauf stand. Nun musste sie die Konsequenzen ihres Handelns tragen.
    Doch das war leichter gedacht, als getan. Fygen seufzte und ließ sich in den Sessel hinter ihrem Pult fallen. Es musste einen Ausweg geben. Irgendein Schlupfloch. Eine Lösung. Verzweifelt zermarterte sie ihr Hirn auf der Suche nach einer Möglichkeit, das Unausweichliche zu verhindern. Doch ihr fiel beim besten Willen nichts ein, was sie hätte tun können.
    Die Ungewissheit trieb sie aus dem Sessel hoch und auf die Beine. Nervös schritt sie von einem Ende des Kontors zum anderen und wieder zurück, blickte aus dem Fenster, ohne der trüben Dämmerung draußen gewahr zu werden. Ihre Hände zupften an den weiten Ärmeln ihres Kleides herum, bekamen ein Fädchen zu fassen, zogen daran. Unruhig wandte sie sich vom Fenster ab, schritt wieder auf die Tür zu. Dann wieder zurück.
    Wäre es nicht besser, sich gleich den Damen und Herren vom Seidamt zu stellen? Dann wäre es wenigstens vorbei. Bei diesem Gedanken schlang sie energisch die Finger ineinander, bevor sich der Saum ihres Ärmels noch weiter auflösen würde.
    Doch ein winziger Funken Hoffnung blieb. Vielleicht schaffte Marie es ja, alle Vorwürfe gegen sie zu zerstreuen, und konnte sogar vermeiden, dass ihr Name fiel? Dann wäre es gewiss ein Fehler, sich selbst zu stellen.
    Was Peter ihr wohl raten würde? Zu dumm, dass sie ihn nicht fragen konnte, weil er auf Reisen war. Wie immer wenn es kritisch

Weitere Kostenlose Bücher