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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Sie überging bewusst ihr Zusammentreffen auf dem Flur vor Peters Kontor, weil sie davon ausging, dass es ihrer Tochter peinlich sein würde. Schwungvoll goss sie einen Schluck Wasser in ihren Becher, um den Wein ein wenig zu verdünnen. Dann ließ sie sich auf der Bank unter dem Fenster nieder. Sie freute sich darauf, endlich mit jemandem über ihr neues Haus und den Umzug sprechen zu können.
    Doch sowenig Fygen sich für die Frachtkosten nach Augsburg oder Memmingen interessiert hatte, so wenig schien ihre Tochter sich für das Haus Wolkenburg oder die Fragen eines Umzuges des gesamten Haushaltes zu interessieren. Mit verzücktem Blick starrte Agnes in die Ferne und rieb weiter an ihrem Kessel herum. »Ist er nicht einfach süß?« Diese Frage war alles, was ihre Mutter zu hören bekam. Und gemeint war damit sicher nicht der tapsige junge Hund, den Fygen aus der Wolkenburg mitgebracht hatte und der ihr von Stund an nicht mehr von der Seite wich.

    Abends, als Fygen sich zwischen den Laken an die Schulter ihres Mannes kuschelte, machte sie ihrem Unmut schließlich Luft: »Sag mal, können wir die Mädchen nicht gewinnbringend verkaufen? Biete sie doch einfach auf der Frankfurter Messe an, vielleicht gibt ja einer was für sie?«
    Peter war schon beinahe eingeschlafen, doch als er den leicht unzufriedenen Unterton in der Stimme seiner Frau vernahm, bemühte er sich, wach zu bleiben und ihr zuzuhören. »Ist es so schlimm?«
    »Schlimmer! Waren wir auch so schrecklich, als wir jung waren?«
    »Ich sicher nicht«, entgegnete Peter. »Aber von irgendwem müssen sie es ja haben. Ich erinnere dich nur an den jungen van Bensberg, der hatte es ganz schön auf dich abgesehen«, neckte Peter sie.
    »Nur weil du dich nicht entscheiden konntest«, gab seine Frau zurück und versetzte ihm zärtlich einen Nasenstüber.
    »Ich wollte nur rücksichtsvoll abwarten, bis du alt und vernünftig genug für die Ehe warst.«
    »Du meinst, du wolltest kein so junges Huhn zur Frau haben? War es das?«
    »Womit wir wieder bei den Mädchen sind«, sagte Peter gespielt ergeben. »Vielleicht sollten wir es noch einmal versuchen?«
    »Was sollten wir versuchen?«, fragte Fygen irritiert.
    »Neue Mädchen zu machen.«
    »Herr Lützenkirchen, ich muss doch sehr bitten. Das ist ein höchst unanständiger Antrag«, rügte Fygen ihn, zog die Decke ein wenig höher und kuschelte sich an seiner Schulter zurecht.
    Peter löschte die Kerze auf dem Nachtkasten und schlang einen Arm um sie. Er schien seinen Vorschlag durchaus ernst gemeint zu haben.

2. Kapitel
    D as Bett können wir getrost dem Altwarenhändler geben«, entschied Fygen und deutete auf ein wackeliges, hölzernes Gestell, das in einer Kammer unter dem Dach sein vergessenes Dasein fristete.
    Der Umzug gestaltete sich als ein aufwendiges Unterfangen, das sorgfältig geplant werden wollte, musste doch neben dem gesamten Haushalt auch die Werkstatt und Peters Kontor verlegt werden, und das mit einer möglichst kurzen Unterbrechung des Betriebes. So hatte Fygen sich dafür entschieden, zunächst den Haushalt umzuziehen, währenddessen die Arbeit in der Werkstatt fortgesetzt würde. Sie inspizierte alle Räume des Hauses, um sich einen Überblick zu verschaffen und zu entscheiden, welche Möbel ausrangiert, welche mitgenommen und welche neu angeschafft werden sollten.
    »Oh, schau mal«, rief Fygen aus, als sie eines ganz besonderen Möbels ansichtig wurde, auf dem sich eine dicke Staubschicht gesammelt hatte: die betagte hölzerne Wiege, in der Sophie, Agnes und Lisbeth ihre ersten Lebensmonate verbracht hatten. Es war das Geschenk von Augusta, das Peters Mutter Fygen gemacht hatte, als ihr erstes Enkelkind auf die Welt gekommen war.
    Agnes, die ihrer Mutter folgte, um ihre Anweisungen zu notieren, beugte sich verzückt hinab, wischte mit dem Zipfel ihrer Schürze den Staub von der Schnitzerei und strich verträumt über das blank gescheuerte Holz. Noch immer hing das Mädchen seiner Schwärmerei für den jungen Imhoff nach. Die ganze Aufregung und der Wirbel um den anstehenden Umzug schienen sie überhaupt nicht zu berühren.
    Als Fygen und Agnes in das Obergeschoss hinabstiegen, fanden sie dort Hilda und eine weitere Magd damit beschäftigt, Stapel von Wäschestücken durchzusehen und zu sortieren. Überall auf den Fluren standen geöffnete Truhen mit Wäsche und Geschirr. Sogar Lijse, die nunmehr auf die siebzig zuging, ließ es sich nicht nehmen, ihren Beitrag zu leisten. Sie hatte sich

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