Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
Vom Netzwerk:
großen Zähne sehen ließ. Doch schnell hatte sie sich entschlossen. »Einverstanden. Es ruiniert mir zwar das Geschäft, und ich bitte Euch, erzählt niemandem davon, sonst bin ich erledigt. Aber weil Ihr es seid und weil dieses arme Ding so auch versorgt ist, will ich es tun.« Magdalena jammerte ein wenig, doch das zufriedene Grinsen strafte ihre Wort Lügen.
    Fygen wusste, dass sie von den Mädchen ebenfalls ein paar Schillinge für die Vermittlung verlangte, und zusammen mit dem, was Fygen ihr gab, war es ein schönes Geschäft für Magdalena.
    Gefolgt von Sewis und den beiden Mädchen, trat Fygen auf die Gasse hinaus. Bis zum Alten Markt hielten sie ihre Maskerade aufrecht, doch dann erstaunte es die beiden frischgebackenen Mägde doch sehr zu sehen, wie sich ihre neue Brotherrin und die dürre, kranke Putzmagd plötzlich in die Arme fielen.
    Fygen traute sich kaum, Sewis zu drücken, so erschreckend zerbrechlich fühlte sich ihr ausgemergelter Körper an. Unter dem dünnen Stoff ihres abgetragenen Kleides konnte Fygen jeden Rippenknochen fühlen. Eine Woge des Mitgefühls überschwemmte sie. »Komm erst einmal mit nach Hause. Nach einem Bad und einer guten Mahlzeit sieht alles schon wieder ganz anders aus«, sagte sie, fasste Sewis beim Arm und wollte sie mit sich fortziehen.
    Doch die Freundin sträubte sich. Furcht legte sich auf das verwüstete Gesicht, und Tränen traten in ihre dunkelgrünen Augen. »Ich kann nicht mit zu dir kommen«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »Ich will nicht, dass er mich so sieht.«
    »Wer?«, fragte Fygen irritiert.
    »Herman!«
    »Du willst ihn nach so vielen Jahren nicht sehen?« Fassungslos starrte Fygen sie an.
    »Glaub mir, es gab keinen Tag in meinem Leben, an dem ich mir nicht gewünscht hätte, ihn wiederzusehen«, antwortete Sewis unglücklich. »Aber sieh doch, was aus mir geworden ist. Ich will nicht, dass er mich so sieht. Er soll mich so in Erinnerung behalten, wie ich ihn verlassen habe.« Sie schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. »Jung und hübsch.« Eine Träne lief ihre Wange hinab und tropfte auf ihr schäbiges dunkelrotes Mieder. Energisch wischte Sewis sie fort und fragte: »Wie sieht er aus, was macht der Kleine? Geht es ihm gut?«
    »Der Kleine ist zu einem schmucken jungen Mann herangewachsen, beinahe so groß wie Peter. Und jeder, der ihn sieht, sagt, er sehe seinem Vater, äh, ich meine Peter, ähnlich. Und klug ist er. Er studiert jetzt an der Universität.«
    Fygen merkte, wie ihre Worte Sewis guttaten. Ihre angespannten Züge lockerten sich ein wenig, und ein Lächeln trat auf ihr Gesicht. Doch plötzlich wurde sie von einem Hustenanfall geschüttelt, der ihren schmalen Leib erbeben ließ. Sie strauchelte, und hätte Fygen sie nicht im letzten Moment festgehalten, wäre sie der Länge nach auf das Pflaster gefallen. Der Husten dauerte an, und Sewis konnte sich kaum auf den Beinen halten. Als es vorbei war, wischte sie sich verstohlen mit einem Zipfel ihres grauen Rockes Blut vom Mund und lehnte sich erschöpft an eine Hauswand.
    Fygen erkannte, dass es Sewis noch schlechter ging, als es den Anschein hatte. Sewis braucht Pflege, doch Fygen respektierte ihren Wunsch, Herman so nicht gegenübertreten zu wollen. Kurz entschlossen befahl sie ihren beiden neuen Mägden, der Freundin unter die Arme zu greifen, und gemeinsam brachten sie Sewis in die Breite Straße. Den frommen Schwestern vom Annenkonvent kam jede Einnahmequelle zupass, denn ihre Situation war in den vergangenen Jahren nicht leichter geworden. Gerne würden sie sich Sewis’ annehmen und sie gegen ein geringes Entgelt pflegen, solange es nötig war. Lange würde es sicher nicht mehr dauern, dachte Fygen traurig. Und als sie die Freundin Hylgens Obhut überließ, nahm sie sich vor, dafür zu sorgen, dass Sewis Herman noch einmal sehen würde, ohne dass der Junge ihre wahre Identität erführe.

3. Kapitel
    Z u Hause angekommen, eilte Fygen zwischen Kisten und Bündeln die Stiege hinauf. Es blieb ihr kaum genug Zeit, sich umzukleiden, denn in ihrer Sorge um Sewis hätte sie beinahe vergessen, dass für diesen Nachmittag eine Versammlung des Zunftvorstandes anstand. Zum ersten Mal teilte sie dieses Amt gleichzeitig mit Katryn und freute sich auf die gemeinsamen Sitzungen.
    An der Tür zu ihrer Schlafkammer traf sie auf Peter, der ein wenig verloren zwischen den Zeugnissen des bevorstehenden Umzuges umherirrte.
    »Was ist eigentlich mit Agnes los?«, fragte er,

Weitere Kostenlose Bücher