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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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gekommen«, hielt Peter ihm vor.
    »Oder auch nicht. Wer versteht denn hier etwas von der Seidenraupenzucht? Niemand. Und ohne das, was ich in Lucca gelernt habe, würde ich im Traum nicht auf die Idee kommen«, entgegnete Herman ruhig.
    »Und du bist sicher, dass du alles weißt, was du für die Aufzucht wissen musst?«, fragte Peter mit einem leicht spöttischen Unterton in der Stimme.
    »Ja«, antwortete Herman schlicht.
    »Du würdest das Risiko also eingehen?«, fragte Tim.
    »Wenn ich Geld genug hätte, jederzeit.«
    Nach den guten Geschäften auf der Frankfurter Messe und die Hochzeit mit Lisbeth vor Augen, war Tim in aufgeräumter Stimmung. Er hatte das Gefühl, alles, aber auch alles auf der Welt, was er heute anfasste, müsse sich in einen Erfolg wandeln. Gerne war er bereit, die außergewöhnliche Unternehmung seines künftigen Schwagers mit einer gewissen Summe zu unterstützen. »Wie viel brauchst du?«, fragte er.

5. Kapitel
    K lack, klack. Lisbeth saß am Webstuhl und arbeitete verbissen, als wolle sie das Tuch unbedingt zu Ende bringen. Die rosafarbene Zungenspitze lugte zwischen ihren Zähnen hervor, so konzentriert war das Mädchen. Klack, klack, klack. Doch Fygen sah, dass Lisbeth ihre Hände nicht bewegte. Der Webstuhl schien von allein zu arbeiten. Was für ein Unsinn, dachte Fygen. Klack, klack. Das Bild ihrer Tochter löste sich auf, und Fygen rieb sich die Augen. Was für ein dämlicher Traum, dachte sie. Doch dann fiel ihr der gestrige Tag wieder ein, und sie seufzte ein wenig. Lisbeth würde künftig nicht mehr in Fygens Werkstatt sitzen und weben. Denn gestern war aus Lisbeth Lützenkirchen Frau Mertyn Ime Hofe II. geworden. Vor ein paar Wochen hatte sie ohne Schwierigkeiten ihre Prüfung vor dem Seidamt abgelegt und würde nun, mit Tim zusammen, ihren eigenen Betrieb aufbauen. Katryn hatte ihnen ein wunderschönes Haus im Kirchenspiel St. Alban überschrieben, geräumig genug für Werkstatt, Kontor und eine Familie.
    Wieder musste Fygen ein wenig seufzen. Nicht wegen Lisbeth, denn diese war wohl die glücklichste Braut, die Fygen je gesehen hatte. Den ganzen Tag über, während der Trauung und den anschließenden Feierlichkeiten, hatte ein solch freudiges Strahlen auf dem Gesicht ihrer Tochter gelegen, dass es selbst ihren Vater, der dieser Ehe immer noch ein wenig misstrauisch gegenüberstand, gerührt hatte. Fygens zweiter Seufzer galt dem leichten Schmerz, der ihren Kopf quälte und wohl von dem Genuss des Rheinweines herrühren mochte, den der Brautvater in großen Mengen hatte ausschenken lassen. Wenn nur dieses elende Klopfen nachlassen würde. Klack, klack. Das Geräusch war immer noch da. Es war eindeutig das Klappern eines Webstuhles, erkannte Fygen. Dabei war sie doch nun wahrhaftig wach. Mühsam schwang sie die Beine aus dem Bett und warf sich nachlässig einen Morgenumhang um die Schultern. Gerade erst war es hell geworden, und durch das offene Fenster drang das erste frühe Vogelgezwitscher an diesem Frühlingsmorgen zu ihr hinein. Wer, in aller Welt, hatte nach solch einer Nacht den Nerv, sich so früh an die Arbeit zu begeben?
    Alles hätte Fygen erwartet, als sie die Werkstatt betrat, nicht aber, dort Sophie vorzufinden, ihre älteste Tochter, die im Halbdunkel an einem Webstuhl saß und arbeitete. Fygen zwinkerte ein paar Mal, um ihre Augen an das Dämmerlicht zu gewöhnen. Ein verbissener Ausdruck lag auf Sophies blassem, rundlichem Gesicht, und mit Kraft, beinahe schon Wut, riss sie die Kammlade zu sich heran, dass es nur so krachte. Fygen zögerte einen Moment, ehe sie zu ihrer Tochter trat. Ein verräterisches Glitzern stand in Sophies blauen Augen. Behutsam legte Fygen ihre Hand auf Sophies Schulter und drückte sie leicht.
    Das Mädchen schaute auf, drehte sich herum und schlang ihre Arme um Fygens Mitte, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte. Dann ließ sie ihren Tränen freien Lauf.
    »Nun, nun, was ist denn geschehen?«, fragte Fygen leise und strich Sophie über die blonden Strähnen. Ein hohes Schlucken und noch mehr Tränen ertränkten die Antwort, die Sophie an Fygens Bauch schluchzte. »… gemein … Lisbeth … ich will auch … viel älter … schon längst … heiraten … Seidweberin sein …«
    Sanft wiegte Fygen ihre Tochter und versuchte im Geiste, die Bruchstücke zu einem Ganzen zusammenzusetzen, um den Grund von Sophies Kummer herauszufinden. Das Seidenhandwerk hatte Sophie keinen Spaß bereitet, nie hatte sie Ehrgeiz dafür gezeigt,

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