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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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und auch für den Haushalt hatte sie sich nicht begeistern können. Wo es nur ging, hatte sie sich vor der Arbeit gedrückt. Doch jetzt, bei der Hochzeit ihrer jüngsten Schwester, die so bravourös ihre Prüfung abgelegt hatte und sich nun selbständig machte, war ihr die eigene Unzulänglichkeit schmerzlich bewusst geworden. Auch dass sich bisher noch kein junger Mann um ihre Hand bemüht hatte, was ihr bis dato nichts ausgemacht zu haben schien, stieß ihr nun böse auf. Immerhin würde sie bald zwanzig Jahre alt werden.
    Die halbe Nacht hatte sie mit sich hadernd verbracht und dann beschlossen, dass sich einiges in ihrem Leben zu ändern habe.
    Fygen streichelte Sophies Rücken, bis das Schluchzen endlich nachließ. Wortlos reichte sie ihrer Tochter ihr Schnupftuch und bedeutete Sophie, sich das verquollene Gesicht abzuwischen.
    »Wie werde ich Seidmacherin, Mama?«, stieß Sophie gequält hervor.
    »Ach, mein Kind. Nichts ist leichter als das. Rück ein wenig zur Seite, ich zeige es dir.« Fygen rutschte neben Sophie auf die schmale Bank. »Schließ die Augen«, wies sie Sophie an, und mit viel Geduld führte sie ihrer Tochter wieder und wieder die Hand, bis diese ein Gefühl für das Anschlagen des Baumes bekam.
    »Nun versuche es allein«, riet sie Sophie nach einer Weile, erhob sich und überließ das Mädchen ihrer Arbeit.
    Fygen machte sich auf den Weg in die Küche, wo sie feststellen musste, dass noch eines ihrer Kinder so früh auf den Beinen war. Herman saß bereits vollständig bekleidet am Küchentisch und ließ sich seine Morgensuppe schmecken. Eben zog Maren ein frisches, duftendes Brot aus dem Ofen, und Fygen merkte, wie hungrig sie war. Eilig ließ sie sich auf die Bank gleiten und musste sich beherrschen, nicht sofort ein Stück des heißen Brotes abzubrechen und sich gehörig die Finger zu verbrennen.
    »Was treibt dich so früh aus dem Bett?«, fragte sie ihren Sohn scherzhaft, wusste sie und jeder im Hause doch zu genau, dass er es brennend eilig hatte, zurück zu seiner Pflanzung zu reiten. Nur für die Hochzeit seiner Schwester hatte er die kleinen Bäumchen verlassen, denen seine ganze Liebe und Aufmerksamkeit galt.
    Schließlich hatte Herman Peter doch noch dazu überreden können, seine Unternehmung wenigstens mit einigen Gulden zu unterstützen, und auch Fygen und Andreas Imhoff, sein anderer Schwager, hatten einen Teil zur Finanzierung beigesteuert.
    Den ganzen Herbst über hatte Herman versucht herauszufinden, wo seine Maulbeerbäume am besten gedeihen würden. Wochenlang war er über Land geritten, bis er schließlich eine Tagesreise südlich von Köln, in der Gegend um das kleine Städtchen Rheinbach, fündig geworden war. Hier gedieh Obst, vor allem Äpfel besonders gut. Bald hatte er einige Äcker aufgetan, deren Boden sandig, sogar ein wenig steinig war und wenig Ertrag brachte. Letzteres war kein Problem, gereichte sogar eher zum Vorteil, denn der magere Boden entsprach den kargen Böden in Italien, von wo Herman die Jungpflanzen herzubringen gedachte. Zudem ermöglichte es ihm, große Flächen gegen äußerst geringe Pacht zu erwerben.
    Sobald der Frost unter den ersten Sonnenstrahlen des Frühjahrs gewichen war, hatte Herman sich an die Arbeit gemacht. Gründlich hatte er den Boden umgraben und lockern lassen. Mit Hilfe einiger Tischlergesellen hatte er sich sogar direkt auf den Feldern eine Hütte errichten lassen, um jederzeit bei seinen Pflanzungen sein zu können.
    Zwar gab es verschiedene Arten des Maulbeerbaumes, aber aufgrund seines schnellen Wuchses und seiner großen Blattentwicklung kam nur der weiße Maulbeerbaum für die Aufzucht von Seidenraupen in Frage. Vor ein paar Wochen nun war es dann endlich so weit gewesen: Hunderte von fünfjährigen Pflanzen waren, sorgsam gegen die Kälte in Leinentuch eingeschlagen, über die Alpen gekommen. Herman hatte die Bäumchen in langen Reihen pflanzen lassen, in ausreichendem Abstand zueinander, dass sie genug Raum hatten, zu wachsen und sich auszubreiten.
    Mit voranschreitendem Frühjahr und steigenden Temperaturen waren die jungen Pflanzen sehr durstig geworden, und da der sandige Boden das Wasser nicht so recht zu halten vermochte, musste Herman alles daransetzen, die Pflanzen ausreichend zu wässern. Und das war auch der Grund seiner Eile: Er wollte sichergehen, dass die Knechte, die er zum Gießen bestellt hatte, ihrer Aufgabe auch gewissenhaft nachkamen. Rasch wischte er mit einem Stück des noch warmen Brotes seine

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