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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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liebst, Kind.« Kurz tätschelte sie Fygen mit der knochigen Hand die Wange. »Komm mich doch einmal besuchen, wenn du Zeit hast. Frag nur nach der alten Marie. Marie zum Hühnermarkt, denn da wohne ich.« Die alte Frau wandte sich um und ging, schwerfällig auf ihren aus dunklem Holz gefertigten Stock gestützt, ihres Weges.

11. Kapitel
    H eute kommst du nach der Messe sofort nach Hause zurück, hast du verstanden?« Nach dem Morgenmahl nahm Mettel sich ihre jüngste Lehrtochter vor. Es war zwar keine Rede mehr davon gewesen, dass Fygen die verdorbenen Seidenballen zu ersetzen habe, doch Fygen spürte deutlich, dass ihre Lehrherrin dieses Vergehen noch nicht vergessen hatte.
    Katryn, welche die Worte aufgeschnappt hatte, wagte zu widersprechen: »Aber meine Mutter hat Fygen für heute eingeladen, uns zu besuchen. Sie wird den ganzen Tag bei uns verbringen«, erklärte sie Mettel knapp.
    Mettel blies erstaunt die Wangen auf. Deutlich war zu sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete. Schließlich antwortete sie: »So, nun, das ist natürlich etwas anderes. Wenn deine Frau Mutter sie eingeladen hat, kann sie natürlich mit dir gehen. Und richte deiner Frau Mutter einen schönen Gruß von mir aus.«
    Fygen blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen. Von einer Einladung ins Starkenbergsche Haus hatte sie zwar nichts gewusst, doch sie war Katryn unendlich dankbar für den Beistand.
    »Alter Drachen«, brummte Katryn, als die Haustür hinter ihnen ins Schloss gefallen war. »Sie ist nur so katzenfreundlich zu mir, weil mein Vater Ratsmitglied ist. Wer weiß, was sie sich davon verspricht.«
    Als sie nach dem Gottesdienst die Kirche verließen, dankte Fygen Katryn noch einmal und wollte ihres Weges gehen, als die Ältere überrascht fragte: »Wo willst du denn hin? Meine Eltern wohnen in der Rheingasse.«
    »Aber du hast doch nicht ernsthaft gemeint, ich soll …«
    »Aber natürlich. Du bist meiner Mutter sicher sehr willkommen.« Dann fiel ihr ein, dass Fygen ja vielleicht andere Pläne haben könnte, und sie runzelte verlegen die glatte Stirn. »Es sei denn natürlich, du hast etwas Besseres vor?«
    »Ist Schweinekoben ausmisten etwas Besseres?«, fragte Fygen zurück, und die Mädchen kicherten ausgelassen. Sie gingen den Buttermarkt entlang, eine lange Gasse, die sich parallel zum Rheinufer hinzog. Wochentags ließ sich hier eine Bäuerin neben der anderen nieder, um den kölnischen Bürgern ihre frischen Erzeugnisse anzubieten. Aus dem gesamten Umland der Stadt kamen sie, einige sogar aus dem Vorgebirge, der Eifel oder dem Bergischen Land.
    Sie gingen weiter über den Thurn-Markt und direkt am Rheinufer entlang, passierten das Zollhaus und bogen kurz darauf in die Rheingasse ein. Die prachtvolle Straße war deutlich breiter und wurde von imposanten ehemaligen Patrizierhäusern gesäumt. Fygen bestaunte den Reichtum und die Schönheit dieser Häuser, bis Katryn endlich vor einem breiten, dreigeschossigen Steingebäude stehenblieb, dessen Fassade sich treppenförmig zum Giebel hin verjüngte. Es hatte unglaublich viele Fenster, die meisten davon Bogenfenster, und einige waren sogar bemalt. Katryn betätigte den schweren Türklopfer, und Fygen fragte ehrfürchtig: »Hier wohnst du?« Ein solches Haus hatte sie noch nicht betreten.
    »Ja«, antwortete Katryn schlicht. »Das Haus Starkenberg am Heumarkt hat meine Familie schon vor über einem Jahrhundert verkauft, aber es trägt immer noch unseren Namen.«
    Eine Dienstmagd mit gestärkter Schürze öffnete die schwere, mit aufwendigen Schnitzereien versehene Tür und geleitete die Mädchen in eine großzügige Halle, welche fast die ganze Breite der Hausfront einzunehmen schien. Die gegenüberliegende Wand wurde beherrscht von einem riesenhaften Kamin, in dem trotz des sommerlichen Wetters ein Feuer brannte. Sogleich erschien eine schlanke, anziehende Frau in den Vierzigern in der Halle und schloss Katryn herzlich in die Arme. Fygen konnte unschwer erraten, dass es Katryns Mutter war, denn sie hatte das gleiche schmale Gesicht und die gleiche gerade Nase. Um Frau Starkenbergs hellblaue Augen kräuselten sich fröhliche kleine Fältchen, und sie war unglaublich elegant gekleidet, fand Fygen. Ihr Kleid hatte ein schmal geschnittenes Mieder, dessen Schalkragen in einen tiefen, spitz zulaufenden Ausschnitt überging, der mit einem Brustlatz versehen war. Die Taillennaht, die modisch bis kurz unter die Brust hochgezogen war, wurde durch einen kostbar verzierten Gürtel verdeckt,

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