Die Seidenweberin: Roman (German Edition)
während der rückwärtige Rock überlang geschnitten war und elegant in einer langen Schleppe endete.
»Herzlich willkommen, mein Kind. Du bist eine Freundin von Katryn?« Frau Starkenberg lächelte freundlich, als sie nun auch Fygen begrüßte.
»Oh, äh, danke …«, stotterte Fygen überrumpelt. Sie war so vertieft in die Betrachtung von Frau Starkenbergs wunderschönem Kleid gewesen, dass sie nicht gemerkt hatte, wie diese ihre Tochter freigegeben und sich ihr zugewandt hatte.
»Mutter, das ist Fygen van Bellinghoven. Sie lernt mit mir zusammen bei Mettel«, stellte Katryn sie vor, und Fygen riss sich zusammen, so dass sie einen halbwegs passablen Knicks zustande brachte.
»Fygen. Dann bist du das Mädchen, dem meine Schweinswürste so gut gemundet haben«, bemerkte Frau Starkenberg fröhlich.
»Äh, ja, ich …«, wieder stotterte Fygen. In Gegenwart dieser vornehmen Frau machte sie sich pausenlos zum Narren. Sie hätte nie damit gerechnet, das Katryn den Vorfall ihrer Mutter gegenüber erwähnen würde. »Sie waren wunderbar«, brach es ehrlich aus ihr heraus.
Katryns Mutter lachte auf. Es war ein melodisches Lachen. »Das freut mich außerordentlich, Fygen«, antwortete sie und blickte das Mädchen geradeheraus an. »Du hast sehr ungewöhnliche Augen«, stellte sie fest. »Sie kommen mir bekannt vor, aber mir will nicht einfallen, an wen sie mich erinnern. Doch du stammst ja nicht aus der Stadt, hat Katryn mir erzählt.« Frau Starkenberg schüttelte den Kopf. »Nun, das ist auch gleich«, sagte sie mit einer wegwischenden Bewegung ihrer Hand. »Ihr wollt sicher erst einmal ein Bad nehmen, nicht wahr? Es ist alles schon bereitet. Ich sage Bescheid, dass man noch ein paar Badelaken bringt.«
Als die Mädchen die Halle verlassen hatten, stand Frau Starkenberg noch für einen Moment reglos da und grübelte über die ungewöhnlichen, bernsteinfarbenen Augen des Mädchens nach. Sie war ganz sicher, diese Augen schon gesehen zu haben, und nicht nur einmal. Undeutlich erschien das Gesicht eines älteren Herrn vor ihrem inneren Auge. Richtig, Nikasius Hackenay, der Rechenmeister von König Maximilian. Erneut schüttelte Frau Starkenberg den Kopf. Es gab schon seltsame Launen der Natur.
Katryn führte Fygen einen breiten Gang entlang an einer steinernen Wendeltreppe vorbei in das Hinterhaus. Hier lag die großzügige Küche direkt neben dem Hof mit eigenem Pütz, an den sich Richtung Filzengraben ein Grasgarten mit Obstbäumen und ein Krautgarten anschlossen, in denen allerlei Früchte und Gemüse für die Starkenbergsche Tafel gediehen. Das Hinterhaus hatte eine eigene Treppe, die zu den Gesindestuben hinaufführte, und gleich daneben war die Badestube untergebracht. Das Haus bot wirklich jede Bequemlichkeit, die man sich nur wünschen konnte, sogar ein Sommerhaus und eigene Ställe. Jetzt verstand Fygen, wie schwer es Katryn fallen musste, in Mettels schmuddeligem Haushalt zu wohnen und sogar in der Werkstatt auf dem Boden schlafen zu müssen.
Der Ofen in der Badestube war eingeheizt, und in der Mitte des Raumes stand ein großer Holzbottich, bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Auf einer Bank lagen Bürsten und leinene Tücher bereit. Aufseufzend löste Katryn die Verschnürungen an ihrem Mieder und zog den Rock über den Kopf. Im Hemd trat sie an den Bottich heran und ließ spielerisch die Hand ins Wasser gleiten, um die Temperatur zu prüfen. Dann wickelte sie sich einen Lappen um die Hand, griff nach dem Kessel mit siedendem Wasser und leerte ihn in den Zuber. Rasch zog sie auch ihr Hemd aus, warf es achtlos beiseite und streckte ein Bein über den Wannenrand. Kichernd rührte sie mit dem Fuß das Wasser um, bis sich die Wärme gleichmäßig verteilt hatte. Dann schwang sie auch das andere Bein über den Rand und ließ sich wohlig seufzend in den Zuber gleiten.
»Was ist, nun mach schon«, rief sie und spritzte Wasser mit den Fingerspitzen in Fygens Richtung. »Es ist herrlich, komm rein.« Albern lachend streckte sie einen Zeh aus dem Zuber und winkte damit.
Mit einem seligen Lächeln auf dem Gesicht tauchte Fygen in das angenehm temperierte Wasser. »Oh, ist das schön«, schwärmte sie, hielt sich mit spitzen Fingern die Nase zu und glitt unter Wasser. Als sie prustend wieder auftauchte, schüttelte sie sich das Wasser aus den Ohren und lachte vor Vergnügen.
Katryn hatte ihre Zöpfe gelöst und drückte Fygen ein Stück helle, duftende Seife in die Hand. »Wäschst du mir die Haare?«, bat sie
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