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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Lohn gestritten hat.«
    »Der faule Kerl hatte zu viel Lohn gefordert«, entrüstete sich Grete.
    »Nein, der Schyssefeger bekommt immer vier Mark. Mettel hat behauptet, er habe die Grube nicht tief genug ausgehoben, und wollte ihm deshalb nur drei Mark geben.«
    »Er hat sicher viel zu tun. Bei dem Wetter ist unsere heimliche Kammer sicher nicht die einzige, die übergelaufen ist«, warf Hylgen vermittelnd ein.
    »Wenn es so weiterregnet, läuft uns die Schweinerei jedenfalls bald über die Schwelle in die Werkstatt hinein«, unkte Fygen.
    »Man könnte den Abort ja auch ein wenig früher leeren lassen, nicht erst, wenn er randvoll ist«, bemerkte Katryn ein wenig spitz.
    Sewis gab ein gurgelndes Geräusch von sich, schob ihre Schale fort und sprang vom Tisch auf. Heftig presste sie sich die Hand vor den Mund und rannte mit fliegenden Röcken hinaus.
    »Stell dich nicht so an, so schlimm stinkt es nun auch wieder nicht«, rief Grete ihr nach.

    Wie Katryn prophezeit hatte, ließ der Schyssefeger sich Zeit. Um die Bürger so wenig wie nötig mit ihrer üblen, aber notwendigen Tätigkeit zu belästigen, arbeiteten er und seine Kollegen nur des Nachts und brachte das braune Gold auf genau festgelegten Wegen aus der Stadt, wo es an bestimmten Stellen in den Rhein gekippt oder zum Verrotten auf Felder geschüttet wurde. Als am Sonntagmorgen die Latrine noch nicht ausgehoben war, wussten alle im Elnerschen Haushalt, dass sie sich noch mindestens bis zum Dienstag würden gedulden müssen. Immerhin konnten sie heute dem Gestank für einen Tag entkommen, und selbst Mettel kam nicht auf die Idee, Fygen im Hause zurückbehalten zu wollen. Zumal es in den vergangenen Wochen zur Gewohnheit geworden war, dass Fygen von Katryn eingeladen wurde, den Sonntag mit ihr zu verbringen. Doch heute war Fygen im Hause Starkenberg nicht willkommen, da die ganze Familie zu einer Kindstaufe im Kirchenspiel St. Columba eingeladen war, wo eine Base von Heinrich, Katryns Vater, lebte. So entschied sie sich, nach der Messe ihren Freund Rudolf aufzusuchen. Gegen den alles durchdringenden Nieselregen hatte sie ihr dickes wollenes Tuch um die Schultern geschlungen, doch als sie die kleine Gasse erreichte, die zum Seiteneingang vom Goldenen Krützchen, dem Weinzapf der Familie van Bensberg, führte, war ihre Haube völlig durchweicht und klebte auf ihrem Haar. Fygen klopfte wie gewohnt an die Küchenpforte, und Lena, die dralle Magd, die sie bei ihrem Picknick auf der Schwelle überrascht hatte, ließ sie herein.
    »Sauwetter da draußen, was?«, meinte sie und stellte Fygen ungefragt einen Becher mit heißem, gesüßtem Wein auf den Küchentisch. »Setz dich, Kind«, sagte sie, schob Fygen auf die Bank am Ofen und ging zur Tür, welche die Küche mit der Schankstube verband. »Rudolf«, rief sie mit einem verschmitzten Lächeln in die Schankstube hinein, »deine kleine Freundin ist hier.«
    Fygen hängte ihr Schultertuch und die Haube zum Trocknen an den Ofen und machte es sich gemütlich. Mit beiden Händen umfasste sie den Becher mit Wein, der sie angenehm wärmte.
    Rudolfs strubbeliger Kopf erschien in der Küchentür. »Hallo, Fygen Honigauge«, rief er ihr zu. »Ich komme gleich zu dir, ’ne Menge los heute.«
    Doch es dauerte eine Weile, bis er sich einen Moment zu ihr setzen konnte.
    »Das Wetter ist schlecht, und die Leute wollen sich bei uns die Zeit vertreiben. Und Mutter liegt im Bett, sie hat das Husten und Schniefen«, erklärte er ihr. »Ich werde wohl heute den ganzen Tag arbeiten müssen.«
    »Schade, dann muss ich mir wohl einen anderen Stadtführer suchen«, erklärte Fygen in gespieltem Ernst.
    »Untersteh dich.« Rudolf lachte und war auch schon wieder im Schankraum verschwunden.
    Fygen leerte ihren Becher. Das heiße Getränk hatte ihr gutgetan und sie zugleich ein wenig übermütig gemacht. Unternehmungslustig wickelte sie sich in ihr Umschlagtuch, das inzwischen getrocknet war. Die zerdrückte Haube stopfte sie einfach in ihre Rocktasche. Sie hatte auch schon eine Idee, was sie unternehmen würde. Von hier aus waren es nur wenige Schritte bis zum Hühnermarkt, dem südlichen Ende des Alten Marktes.
    Fygen hätte Maries Haus auch gefunden, wenn sie nicht danach gefragt hätte, denn mit seiner schmalen Fassade unter ein niedriges Dach gekauert, sah das Haus aus wie die alte Frau selber: klein, hutzelig und verwittert. Es passte gut zu der seltsamen Seidspinnerin.
    Fygen klopfte vorsichtig an die Tür. Es dauerte eine Weile,

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