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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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begriffsstutzig.
    Fygen rammte ihr den Ellenbogen in die Seite. Deutlich wiederholte sie: »Hier ist dein Werkstück, das du für die Prüfung angefertigt hast.«
    Katryn schaute sie verblüfft an, dann schnappte sie nach Luft. Das Tuch, das Fygen unter ihrer Nase schwenkte, war solide und ordentlich gearbeitet. Aber es war nicht ihr Werkstück. »Wo, um Himmels willen, hast du das her?«, flüsterte sie.
    Verblüfft starrte Peter Lützenkirchen das Mädchen an, das hier einfach so mit frecher Selbstverständlichkeit hereinmarschiert war. Aber es war weniger die Unverfrorenheit, mit der sie seine Prüfung zu unterbrechen wagte, die ihn irritierte, sondern der seltsam vertraute Anblick, den sie ihm bot. Dabei war er sicher, sie nie zuvor gesehen zu haben. Sie wirkte erhitzt, als wäre sie schnell gelaufen. Aus ihren dunklen Zöpfen hatten sich einige vorwitzige Strähnen gelöst, und das sonnengebräunte Gesicht war leicht gerötet, was ihr vortrefflich stand, wie er feststellte.
    Doch welches Spiel versuchten die beiden Mädchen hier mit ihm zu spielen? Etwas an diesem Werkstück war doch faul. Wollten sie ihn für dumm verkaufen? »Wenn ich das Werkstück jetzt bitte sehen dürfte«, sagte er schärfer als beabsichtigt.
    »Hier, bitte schön.« Da Katryn ihre Überraschung noch nicht überwunden hatte, war es Fygen, die ihm höflich das Tuch reichte. Dabei traf ihn ein Blick aus bernsteinfarbenen Augen, der ihm schlagartig sein Gedächtnis auffrischte. »Der Mösch!«, entfuhr es ihm.
    Fygen, die bisher weniger auf den Prüfer denn auf das unselige Fehlen des Werkstückes geachtet hatte, erkannte ihn ebenfalls und reckte das Kinn vor. »Der Kaufmann mit der unordentlichen Frisur!«, gab sie zurück, um sich im selben Moment erschrocken die Hand auf den Mund zu schlagen.
    Doch statt sie scharf zurechtzuweisen, fuhr sich der groß gewachsene Mann verlegen durch den dichten blonden Haarschopf. »Ich versuche immer, sie so ordentlich wie möglich zu kämmen, aber sosehr ich mich auch bemühe …«, erklärte er mit jungenhaftem Lächeln und kam sich im selben Moment höchst kindisch vor. Wie kam er dazu, sich vor dieser Göre zu rechtfertigen? Doch aus irgendeinem unerfindlichen Grund war es ihm plötzlich wichtig, was sie von ihm hielt.
    Um seine Verlegenheit zu überspielen, griff Peter nach dem Tuch, das Fygen ihm immer noch mit ausgestreckter Hand entgegenhielt. Doch als sich ihre Hände über dem Stoff berührten, meinte er einen Funken zu spüren, der ihm bis in den innersten Winkel seines Leibes fuhr. Auch Fygen schien dieser Funken berührt zu haben, denn sie zog ihre Finger hastig zurück, als hätte sie sich verbrannt.
    Verwundert betrachtete Peter das Mädchen, das ihn so aus dem Gleichgewicht zu bringen vermochte. Ihr olivfarbenes Gesicht war rundlicher geworden, als er es in Erinnerung hatte, und ihr Körper hatte das Eckige, Fohlenhafte verloren, war vielmehr voller und weicher, ja, ganz einfach weiblicher geworden.
    Plötzlich wurde ihm klar, dass er das Mädchen schon ungebührlich lange anstarrte, und er nahm sich zusammen. Sorgsam breitete er die Seide auf seinem Pult aus und strich sie glatt, während er mühsam versuchte, Ruhe in das Geflacker seiner Gedanken zu bringen. Wieso brachte ihn dieses Mädchen so durcheinander? Sie war sicher nicht die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Genau genommen war sie im klassischen Sinne nicht einmal schön zu nennen, dafür war ihr Teint zu dunkel und ihr Mund eine Spur zu breit. Er hatte auf seinen Reisen zweifelsohne schon viele schöne Frauen gesehen, doch nie hatte es eine vermocht, ihn so in ihren Bann zu ziehen wie dieses Mädchen. Obwohl sich nicht wenige Damen eifrig um seine Gunst bemüht hatten, bisher hatte er sich immer für immun gegen weibliche Reize gehalten. Und nun kam diese Frau – sie war ja noch nicht einmal eine richtige Frau, vielmehr ein freches Küken – daher, und er fühlte sich albern wie ein junger Gockel. Mechanisch strich er wieder und wieder über den Stoff.
    Katryns Blick folgte gebannt seiner Hand. Stimmte etwas nicht mit dem Stoff? Warum starrte der Prüfer so unverwandt darauf, so als sähe er ihn gar nicht richtig an. Ihre Freundin Fygen bot ebenfalls einen ungewohnten Anblick. Sie stand seltsam befangen mit ineinander verschränkten Händen neben dem Pult, den Blick auf die polierten Holzplanken des Fußbodens geheftet, und biss sich auf die Lippe. Verwirrt blickte Katryn von einem zum anderen. Irgendetwas schien

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