Die Seidenweberin: Roman (German Edition)
hier vorzugehen, von dem sie nichts verstand. Und es hatte nichts mit ihrer Prüfung zu tun, so viel war sicher.
Katryn hielt die Spannung nicht mehr aus. »Das Werktuch, ist es in Ordnung?«, wollte sie wissen und holte mit ihrer Frage den Zunftmeister zurück in sein Kontor.
Peter blickte auf. »Werktuch? Ja. Ja, sicher.« Peter musste sich dazu zwingen, sich auf den Stoff zu konzentrieren und die Qualität in Augenschein zu nehmen, doch sobald er seine Sinne wieder beieinanderhatte, kehrte auch sein Scharfsinn zurück. Noch einmal strich er über den Stoff. Ja, die Qualität war wirklich in Ordnung, aber er war nach wie vor sicher, dass etwas mit diesem Tuch ganz und gar nicht stimmte. Niemand vergaß, am Tag der Prüfung sein Werkstück mitzubringen. Warum also dieses kluge Mädchen hier? Peter war es gewohnt, den Dingen auf den Grund zu gehen. Streng blickte er Katryn in die Augen und fragte: »Warum musste dir deine Freundin das Werkstück nachtragen?«
Katryn schluckte. Sie konnte den forschenden blauen Augen des Zunftmeisters nicht standhalten und senkte verlegen den Blick. Ihre Stimme war zu einem Piepsen geschrumpft, als sie erklärte: »Ich hatte das Tuch sorgsam eingeschlagen und es auf das Regal in der Werkstatt gelegt. Doch heute Morgen …« Sie stockte, doch Peter kam ihr nicht zur Hilfe. Also fasste sie sich ein Herz und fuhr fort: »Heute morgen war es einfach verschwunden.«
»Du bist die Tochter von Heinrich Starkenberg, nicht wahr?«
Katryn nickte.
»Und deine Lehrherrin ist die …«
»Mettel Elner«, beeilte sich Katryn zu antworten.
»Soso.« Peter nickte. Kannte er doch die alte Mettel gut genug, um ihr Schlimmeres zuzutrauen als die Sabotage eines Werkstückes. Und die Tochter vom alten Starkenberg schien ein ehrliches, rechtschaffenes Ding zu sein. Langsam konnte er sich einen Reim auf die Sache machen. Doch er beschloss, es den Mädchen nicht zu leicht zu machen.
»Und du hast das Tuch dann später ganz zufällig gefunden, was?«, wandte er sich in strengem Ton an Fygen.
»Ja, genau so war es«, log Fygen, doch ihre Augen flackerten phosphorgelb. Sie war so leicht zu durchschauen, dachte Peter und musste sich ein Lächeln verbeißen.
»Und du bist sicher, dass es genau das Tuch ist, das Katryn gewebt hat? Nicht irgendein anderes?« Der Blick seiner blauen Augen bohrte sich in die ihren, und Fygen meinte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Kleine Schweißperlen traten ihr auf die Nase, und sie senkte den Blick. Er kann dir nicht das Gegenteil beweisen, beruhigte sie sich selbst. Du musst nur bei deiner Aussage bleiben. Mit so viel Festigkeit in der Stimme wie nur eben möglich antwortete sie: »Ja, genau das war es!«
18. Kapitel
M it Schwung flog die Küchentür auf und riss den Putzeimer um. Die Schmutzlauge ergoss sich über die soeben gewischten Küchendielen, und Fygens Rock war in Sekundenschnelle durchweicht. Sofort war Mettel über ihr, packte sie grob am Unterarm und zerrte sie auf die Füße. Dann versetzte sie ihr ein paar kräftige Ohrfeigen. »Du dummes Ding, was lässt du den Eimer hier mitten im Weg stehen«, keifte sie.
Stumm wrang Fygen ihren Rock aus und machte sich ergeben daran, den Boden erneut aufzuwischen. Sie war unendlich müde und brachte kaum die Kraft auf, den Putzlumpen gehörig auszuwringen. Es war bereits spät am Samstagabend, und Fygen hatte seit Sonnenaufgang in der Werkstatt gearbeitet, als Mettel ihr zuletzt noch aufgetragen hatte, beim Licht des Herdfeuers den Küchenboden zu wischen, bevor sie zu Bett gehe.
Als die schwerfälligen Schritte ihrer Lehrherrin auf der Stiege verklungen waren, erhob Fygen sich langsam vom Boden und streckte behutsam ihren schmerzenden Rücken. Sie glaubte, in ihrem Leben nie so erschöpft gewesen zu sein. Mit dem Fuß angelte sie sich einen dreibeinigen Schemel heran und ließ sich für einen Moment darauf nieder. Nur einen Moment, bis sie wieder bei Kräften wäre.
Die letzten Wochen waren für Fygen eine Qual gewesen. Seit Katryn fort war, hatte sich das Leben im Elnerschen Haus zu einer wahren Tortur entwickelt. Mettel hatte zwar nicht herausgefunden, welche maßgebliche Rolle Fygen bei Katryns Prüfung gespielt hatte, doch sie argwöhnte, dass Fygen daran nicht unbeteiligt gewesen war. Noch am Tag der Prüfung hatte Katryn ihre Sachen zusammengepackt und das Elnersche Haus verlassen, ohne sich von ihrer Lehrherrin zu verabschieden.
Ihre Wut darüber ließ Mettel nun an Fygen aus. Nichts konnte
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