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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Neuss ist der am nordwestlichsten vorgeschobene Stützpunkt, nicht einmal einen Tagesmarsch von seinen Landen Limburg und Geldern entfernt. Neuss ist für den Burgunderherzog der Schlüssel zum Mittelrhein.«
    »Wenn er uns nur nicht angreift«, sagte Fygen bange. »Vielleicht zieht er doch noch nach Köln, das kleine Neuss hat er sicher schnell erobert, und dann …«
    Peter lachte trocken auf. »Das hatte Karl sich auch so gedacht. Er hat wohl damit gerechnet, dass er nur mit seiner prachtvollen Armee – der stärksten, die es zurzeit in Europa gibt, das muss man ihm lassen – vor den Mauern von Neuss zu erscheinen braucht, um sie schon nach wenigen Tagen zur Übergabe zu bewegen. Doch da hat er sich wohl verschätzt. Neuss ist nämlich gut befestigt.«
    »Und wir, ich meine die Stadt Köln, können wir denn den Neussern nicht helfen?«
    »Die Stadt Köln hat ihnen bereits vor Beginn der Belagerung den Landgrafen Hermann mit einigen hundert Mann zur Unterstützung gesandt, dazu etliche von der Stadt angeworbene Söldner. Das sollte fürs Erste reichen. Neuss ist geographisch so gelegen, dass es sich hervorragend verteidigen lässt. Denn die Neusser Ostmauer reicht bis an das Flussufer heran, während die Stadt im Westen praktischerweise von einem Nebenarm des Rheins vollständig umschlossen wird, der durch das Flüsschen Erft geschickt erweitert wurde. Neuss ist noch nie erobert worden. Das wissen die Einwohner und setzen sich recht selbstbewusst zur Wehr. Wenn ihr mich fragt, so beißt sich Karl daran die Zähne aus«, prophezeite er.
    »Habt ihr viele Soldaten gesehen?«, wollte Fygen wissen.
    »Ja, es mögen so an die zwanzigtausend Mann sein, Tross und Hilfstruppen nicht mitgerechnet«, antwortete Peter. »Es ist wirklich ein beeindruckendes Heer. Der Herzog von Burgund hat sich südlich der Stadt im Oberkloster an der Straße nach Köln eingenistet, während er seine Truppen rund um die Stadt hat Stellung beziehen lassen. Sie haben Neuss vollständig eingeschlossen.«
    »Wir mussten auf der Rückreise schon weit vor Neuss an Land gehen, weil der Rhein für die Schifffahrt gesperrt war. Deswegen hat es auch länger gedauert«, erklärte Mertyn mit Bedauern in der Stimme und strich seiner Frau entschuldigend über den Arm.
    »Ach, Rudolf, wie nett, dass du uns besuchen kommst«, rief er aufgeräumt dem jungen van Bensberg zu, der just in diesem Moment in den Hof trat. »Wir sitzen hier gemütlich und feiern unsere Wiederkehr und Katryns Genesung. Willst du einen Schluck mit uns trinken?«
    Doch Rudolf schien seltsam verkrampft und entgegen seiner sonstigen Art ein wenig steif und unbeholfen. Vielleicht war es seine Kleidung, die ihn befangen machte. Er trug seine beste Juppe und darunter ein sorgfältig geplättetes Hemd. Der Haarschopf war sorgsam befeuchtet und glatt gekämmt. Auf Mertyns fröhliche Begrüßung hin murmelte er nur ein beiläufiges Hallo in die Runde und trat mit ernstem Gesichtsausdruck auf Fygen zu.
    »Ist etwas geschehen?«, fragte Mertyn besorgt, mit einem Seitenblick auf Rudolfs offiziellen Aufzug, doch Katryn zupfte ihren Mann am Ärmel und schüttelte leicht den Kopf. Mertyn verstummte, und Rudolf fasste Fygen feierlich bei der Hand. Katryn ahnte, was nun kommen würde, und schloss die Augen.
    Mit dem gebührenden Ernst verbeugte Rudolf sich vor Fygen. Er holte einmal tief Luft und sagte schlicht: »Fygen, du weißt, wie sehr ich dich mag. Willst du meine Frau werden?« Hörbar atmete er aus, und seine Haltung entspannte sich. »Puh, Honigauge, das war nicht so leicht«, grinste er verschmitzt und benutzte den vertrauten Spitznamen, den er ihr bei ihrer ersten Begegnung gegeben hatte.
    Fygen schoss das Blut in den Kopf. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Er meinte es ernst. Das war nicht einer seiner üblichen Späße. Rudolf meinte es wahrhaftig ernst. Aber eigentlich überraschte es sie nicht wirklich. Dass er in sie verliebt war, wusste Fygen, oder hatte es zumindest geahnt. Nur dass der Antrag so plötzlich kam, brachte sie aus der Fassung. Sie hatte es nie ernsthaft in Erwägung gezogen, Rudolf zu heiraten. Warum eigentlich nicht? Rudolf war ein anständiger Kerl. Sie mochte ihn, und er brachte sie zum Lachen. Er hatte nur einen einzigen Fehler: Er war nicht Peter Lützenkirchen, aber dafür konnte er nichts. Er hatte nicht Peters Ausstrahlung, seine Überlegenheit, sein welterfahrenes Auftreten, dachte Fygen, sein … Das war unfair, unterbrach sie sich. Dem Vergleich

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