Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
Vom Netzwerk:
Schnürungen am Halsausschnitt von Katryns Hemd, um ihr auch ein kühlendes Tuch auf Hals und Brust legen zu können. Katryn schien zu kochen, schnell hatte das Tuch die Hitze ihres Körpers angenommen und kühlte nicht mehr. Fygen tauchte es erneut in das Wasser. Derweil hatte sich auch das Tuch auf Katryns Gesicht erwärmt, und Fygen verlegte sich darauf, die Tücher abwechselnd ins Wasser zu tauchen, kurz auszudrücken und sie der Freundin dann feucht aufzulegen. Doch die Hitze ließ nicht nach. Vielleicht half es, feuchte Tücher überall auf Katryns Körper zu legen. Die wärmende Bettdecke hatte Fygen längst entfernt, und nun schlug sie das dünne, untere Laken zurück. Trotz des gedämpften Lichtes in der Schlafkammer sah Fygen es sofort. Entsetzt fuhr sie zurück und schrie leise auf. Katryns weißes Hemd war durchweicht, dunkel von ihrem eigenen Schweiß und klebte an ihrem Körper. Doch in ihrem Schoß breitete sich ein noch dunklerer, klebriger Fleck aus, und Fygen roch den metallischen Geruch von frischem Blut.
    Bleib ruhig, ruhig, ganz ruhig, ermahnte sie sich selbst. Katryn brauchte rasch Hilfe, doch dies hier überstieg Fygens Kräfte. Aber an wen sollte sie sich wenden? Manche der Bader und Heiler waren gefährlicher als Nattern, und wenn man sie in die Nähe eines Kranken ließ, bedeutete das den sicheren Tod des Patienten. Und um die Spitäler war es nicht besser bestellt. Dorthin ging man, um zu sterben. Doch Katryn durfte nicht sterben. Eine namenlose Angst um die Freundin erfasste Fygen. Jäh trat ihr eine andere Situation vor Augen, in der sie genauso hilflos gewesen war wie jetzt. Als Sewis ihr Kind bekommen hatte. In der Küche des Goldenen Krützchens. Lena! Das war es. Lena würde helfen. Aber Fygen konnte Katryn in diesem Zustand nicht allein lassen, um Lena zu holen. Wenn nur Mertyn hier wäre. »Verdammte Abenteurer«, schimpfte sie laut und meinte damit Mertyn und Peter. Konnten sie nicht, wie andere Männer auch, ihr Brot in der Stadt verdienen und abends zu Hause sein? Scheinbar nicht. Idiotisch, was einem in solchen Momenten durch den Kopf schießt, wunderte Fygen sich und traf eine Entscheidung. Sanft breitete sie das Laken wieder über die Freundin, ging zur Tür und rief laut die Stiege hinab: »Adelheid!«
    Katryn hatte ihre jüngere Schwester vor einem knappen Jahr zu sich genommen, kurz nachdem ihre Mutter so plötzlich verstorben war. Was Frau Starkenberg zu Lebzeiten nicht vermocht hatte, durch ihren Tod waren sich Vater und Tochter in ihrem Kummer wieder sehr nahegekommen, und der alte Herr war ein gerne gesehener Gast im Haus Zum Roden Gevel. Adelheid hatte sehr unter dem Tod ihrer Mutter gelitten, tat es noch heute, und es erschien nur sinnvoll, dass Katryn sie zu sich nahm und sich nun um sie kümmerte. Katryn hatte sie sogar offiziell als Lehrtocher aufgenommen und in das Lehrtöchterbuch eintragen lassen. Adelheid würde zwar nie ihre Prüfung ablegen und Seidmacherin werden, aber sie half Katryn und Fygen in der Werkstatt, so gut sie es vermochte. Die Anerkennung und das Lob der Schwester hatten sie sogar ein wenig reifen lassen. Nun trat das Mädchen verschlafen in die Kammer.
    »Adelheid, du musst mir helfen. Du kennst doch Rudolf?«, fragte Fygen sanft und zwang sich zur Ruhe.
    Das Mädchen legte den großen Kopf schief und schob die Zungenspitze zwischen die Schneidezähne. Ernsthaft blickte es Fygen an. »Der beim Sprechen Regen macht?«
    »Ja, genau der. Du weißt doch, wo der wohnt?«
    Langsam nickte Adelheid.
    »Nimm eine Laterne und lauf schnell dorthin. Hol Lena. Sag ihr, Katryn ist krank. Es ist sehr, sehr dringend. Schaffst du das?«
    Mit schreckensweiten Augen blickte Adelheid Fygen an. Dann warf sie einen scheuen Blick auf das mitgenommene Gesicht ihrer Schwester. Wieder nickte sie.
    »Dann lauf. Beeil dich!«
    Fygen wusste nicht, ob sie recht gehandelt hatte, das verstörte Kind in die Nacht hinauszuschicken, doch es blieb ihr keine Wahl. Adelheid würde es schon schaffen. Wieder befeuchtete sie den Lappen, um Katryn den Schweiß von der Stirn zu wischen. »Halte durch, Katryn. Bitte halte durch. Adelheid holt Hilfe. Es wird alles gut«, murmelte sie, mehr zu ihrer eigenen Beruhigung, denn die Freundin schien sie nicht zu hören.
    Es wurde eine der längsten Nächte in Fygens Leben. Ein ums andere Mal wischte sie Katryn den Schweiß von der Stirn, doch immer wieder unterbrach sie ihr Tun und lauschte angestrengt in die Stille, als könne ihr Wille allein

Weitere Kostenlose Bücher