Die Seilschaft
nicht gescheut hatte, erwischt zu werden.
Neben dieser Frage zwang sich eine zweite auf, die Kilian bereits bei den Schwerdt-Fotos vergeblich zu beantworten suchte:
Wer hatte die Aufnahmen gemacht?
Dieser Jemand musste gut informiert sein, um Schwerdt und Bender in den entscheidenden Augenblicken vor die Linsezu bekommen. War es ein Insider, der über die Schritte der Parteikollegen genau Bescheid wusste?
Und schließlich: Was bezweckte der Fotograf mit seinen Aufnahmen über das Bloßstellen hinaus?
Wollte er sie aus dem Verkehr ziehen, sie politisch zusammenstutzen oder sie einfach nur hinter Gitter bringen?
Fragen, die Kilian Bender stellen würde. Mal sehen, welche Antworten er zu bieten hatte.
«Warte», sagte Schneider und wies auf den Eingang des Parteibüros.
Bender trat gerade auf die Straße. Er wirkte gehetzt und schwang sich aufs Fahrrad.
«Wir folgen ihm», sagte Kilian.
Schneider ließ den Motor an. Die Fahrt ging in Richtung Innenstadt in die Schönbornstraße. Dort stellte Bender das Fahrrad ab und betrat die Augustinerkirche.
«Bleib du hier», sagte Kilian zu Schneider. «Ich werde sehen, was unser Freund in aller Herrgottsfrühe in einer Kirche zu suchen hat.»
Bender war nicht der Einzige im weiten Kirchenschiff. Einige Männer und Frauen, in sich versunken, beteten still. Bender kniete sich in eine der Reihen. Kilian blieb im Hintergrund und beobachtete.
So wartete er eine halbe Stunde, bis sich endlich etwas tat. Ein Priester kam und betrat den Beichtstuhl. Kurz darauf folgte ihm Bender.
Das war eine gute Gelegenheit, um Benders Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Kilian wechselte in eine nahe Kirchenbank. Doch er hörte weniger, als er erhofft hatte. Wortfetzen drangen heraus. Sie waren unverständlich, aber im Zorn gesprochen. Bender war zweifellos erregt.
Ein mahnendes Räuspern befahl Kilian, Abstand zum Beichtstuhl zu halten. Wie gern hätte er dieser frommen Frauseinen Ausweis gezeigt. Aber der besaß in diesem Haus keine Amtsgewalt, zumindest keine moralisch vertretbare.
«Dieses verdammte Weibsbild», klang es aus dem Beichtstuhl, gefolgt von einem
Mäßige dich
.
Doch die Worte erreichten Bender nicht mehr. Er kam aus dem Beichtstuhl und eilte auf den Ausgang zu. Kilian folgte ihm. Auf der Treppe hinab zur Straße holte er ihn ein.
«Herr Bender, einen Moment.»
Bender fuhr herum. «Was ist?!»
Als er Kilian erkannte, zwang er sich zur Ruhe.
«Verfolgen Sie mich?»
«Ich möchte mit Ihnen sprechen.»
«Keine Zeit. Ich muss ins Büro.»
«Das kann warten.» Er gab Schneider ein Zeichen, aus dem Auto zu steigen. «Sie kommen am besten mit aufs Revier.»
«Wieso sollte ich das tun?»
«Verdacht auf Einbruch und unbefugtes Betreten eines Tatorts.»
«Quatsch.»
Kilian akzeptierte keine weitere Widerrede.
«Sie wurden dabei beobachtet.»
Die Fahrt in die Kriminalinspektion am Weißenburger Platz verlief wortlos. Bender schien zu überlegen, wer ihn im Gramschatzer Wald beobachtet haben könnte, und Kilian war gespannt auf sein Gesicht, wenn er ihm die Aufnahmen unter die Nase hielt.
«Du sollst dich beim Chef melden», hörte er am Empfang der Kriminalinspektion.
Dafür hatte er jetzt keine Zeit. Der Alte musste warten. Kilian musste den noch immer zweifelnden Bender befragen, bevor der sich eine Legende stricken konnte.
Der Befragungsraum war vorbereitet, es konnte sofort losgehen.
Kommentarlos breitete Kilian die Fotos von der Waldhütte vor Bender aus. Der erschrak für einen Moment, fasste sich aber schnell wieder.
«Das kann jeder x-beliebige Rumtreiber gewesen sein», sagte Bender.
Kilian zeigte ihm die Aufnahme vom versteckten Auto, auf dem das reflektierende Nummernschild bestens zu erkennen war.
«Ich parke mein Auto immer dort. Das letzte Mal vor etwa vier Wochen.»
Das nächste Foto zeigte ihn auf dem Fahrrad, ein weiteres, wie er in die Hütte eindrang.
«Dieser Mann ist maskiert», wehrte Bender ab.
Schließlich legte Kilian eine durchsichtige Plastiktüte auf den Tisch. Sie enthielt einen Holzspan mit einer Blutspur darauf.
Damit war die Sache geklärt.
Bender seufzte. «Was wollen Sie wissen?»
«Wieso Sie in die Hütte eingebrochen sind.»
«Ich hatte etwas vergessen.»
«Worum handelte es sich?»
«Ein Buch.»
«Sie dringen in einen versiegelten Tatort ein, um ein Buch zu holen?»
«Ja, die Ausleihfrist war abgelaufen.»
Kilian lächelte. «Für diesen Einbruch drohen Ihnen ganz andere Unannehmlichkeiten, möglicherweise
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