Die Seilschaft
sagte Kilian. «Sprechen Sie.»
Die Deckenlampe warf ein diffuses Licht auf den Mann. Er mochte Ende zwanzig sein und wie offenbar alle jungen Männer in der Partei beim selben Imageberater. Diese künftigen Funktionsträger wirkten irgendwie gestriegelt.
«Ich habe Sie vorhin beobachtet», begann er, «wie Sie mit Sandra Wagner sprachen und wie Sie den Auftritt von Werner Schwerdt verfolgten.»
Kilian stutze. «Ihre Aufmerksamkeit galt mir?»
«Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich bin an dem Kommissar interessiert, nicht an dem Menschen.»
«Freut mich zu hören. Also, was gibt’s?»
«Als Sie vorgestern mit Lutz gesprochen haben, ist mir aufgefallen, dass Sie nicht mit allem einverstanden sind, was er über Schwerdt und Petra erzählt hat.»
«Sie waren also auch im Parteibüro?»
«Ja, es gab viel zu tun. Sandras Kommunikationsstrategie musste neu definiert werden.»
«Ich erinnere mich. Wofür haben Sie sich entschieden?
Kraft und Tradition
oder …?»
«Packen wir’s an.»
Das klang nach dem amerikanischen Wahlkampfslogan der Demokratischen Partei,
Yes, we can.
Es gab schon schlechtere Vorbilder.
«Was hat mein Gespräch mit Lutz Bender nun mit Ihnen zu tun?», fragte Kilian.
«Ich finde es widerlich, wie die anderen mit Werner umspringen. Das hat er nicht verdient.»
«Dann unternehmen Sie etwas dagegen.»
«So einfach ist das nicht. Es gibt starke Kräfte in der Partei, die sein gesamtes Tun diskreditieren. Dabei haben sie selbst am meisten von ihm profitiert.»
«Ich kenne mich nicht mit den Gepflogenheiten in Ihrer Partei aus, und ehrlich gesagt, interessieren sie mich auch nicht besonders. Also, was wollen Sie?»
«Das sollten sie aber. Petras Tod ist eng damit verknüpft.»
«Was wissen Sie darüber?»
«Zum einen, dass jedes Wort aus dem Mund von Lutz eine Lüge ist. Er war in Petra verliebt – hoffnungslos, fast schon ausgeliefert. Und der, der sie ihm ausgespannt hat, war sein größtes Idol.»
«Werner Schwerdt.»
Er nickte. «Lutz hat einen seltsamen Hang zur Hingabe. Werner war wie ein Gott für ihn. Jedes Wort aus seinemMund kam einem Gebot gleich. Das war ziemlich befremdend.»
«Wie hat Bender dann reagiert, als sich Petra Bauer mit Werner Schwerdt eingelassen hat?»
«Er war außer sich.»
«Werden Sie konkret. Was hat er genau getan?»
«An jenem Abend fing es an, dass indiskrete Details über Werners Liebschaften die Runde machten. Wir waren alle sehr betroffen und hielten es einfach nicht für möglich. Werner war das Licht am Ende des Tunnels gewesen. Und nun sollte er plötzlich ein widerlicher Casanova sein, der nicht einmal die Finger von der Cousine seines eigenen Büroleiters lassen konnte? Unvorstellbar. Wir waren geschockt.»
«Wie kam Lutz Bender an diese Informationen?»
Der Mann seufzte. «Damals hatten wir keine Vorstellung, wie tief dieser Sumpf reicht. Aber mittlerweile ist es offensichtlich: Ute Mayer steckt hinter allem. Sie ist die Spinne in einem Netz aus Lügen, Erpressung und Manipulation.»
Das war nun die zweite Stimme nach Werner Schwerdt, die Ute Mayer hinterhältiges Vorgehen unterstellte.
Doch Kilian musste vorsichtig sein. Dieser Tobias stand offensichtlich auf Schwerdts Seite.
«Sie meinen also, Bender erhielt seine Informationen von Ute Mayer?»
«Ja.»
«Wieso soll sie das getan haben?»
«Um Werner aus dem Weg zu räumen.»
«Zu welchem Zweck?»
«Um den Posten für Sandra frei zu machen.»
«Hat Ute Mayer denn überhaupt die Macht, um die Nachfolge zu regeln?»
«Nicht sie allein. In diesem Netzwerk sind noch andere aktiv.»
Jetzt war es an der Zeit, um diesen mysteriösen Club zur Sprache zu bringen.
«Ich habe von diesem Netzwerk schon gehört. Es nennt sich …»
Kilian wollte es nicht aussprechen. Er musste es aus dem Mund von Tobias hören.
«Man nennt sie den Club der Ehemaligen. Frühere Staatssekretäre und Minister wollen sich zurück an die Macht putschen. Dabei greifen sie zu jedem erdenkbaren Mittel. Verleumdung, Erpressung … einfach widerlich.»
«Auch Mord?»
Tobias zögerte. «Noch vor ein paar Tagen hätte ich es nicht für möglich gehalten. Aber mittlerweile? Ja, ich denke, sie sind auch zu einem Mord fähig.»
«Was bringt Sie zu dieser Annahme?»
«Petra ist nicht an Herzversagen gestorben.»
«Das heißt nicht, dass der Club die Verantwortung für ihren Tod trägt.»
«O doch, das tut es. Ute Mayer hatte Petra auf Werner angesetzt.»
«Woher wollen Sie das wissen?»
«Ich
Weitere Kostenlose Bücher