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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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der Teufel, wo sie diesen Dreck ausgegraben hat.» Dann seufzte er. «Es ist auch egal. Jetzt ist es ohnehin zu spät. Ich bin erledigt.»
    «Nichts ist zu spät», antwortete Kilian. «Hat Ute Mayer Sie damit erpresst?»
    «Ich solle sie und ihre Adjutantin in den verbleibenden Tagen unterstützen und nach der Wahl auf mein Amt und mein Mandat verzichten, sonst ginge sie mit dem Material an die Öffentlichkeit.»
    Solange es keinen Zeugen dafür gab, war die Anschuldigung haltlos. Er brauchte mehr, um gegen Ute Mayer vorzugehen.
    «Sie legen sich jetzt hin und ruhen sich aus», sagte er bestimmt. «Morgen ist auch noch ein Tag.»
    Wie ein verschreckter, übergewichtiger Junge folgte Schachtner der Anweisung. Er legte sich aufs Bett, verschränkte die Hände über dem mächtigen Bauch und starrte an die Decke.
    Kilian sammelte die Papiere ein. Er würde Ute Mayer damit zur Rede stellen.
    Als er das Zimmer verließ, sah er Schachtner ruhig auf dem Bett liegen und etwas murmeln. Er konnte es nicht verstehen, aber es klang nach einer Gebetsformel, die er ein ums andere Mal wiederholte. Später würde er nochmal nach ihm schauen.
     
    Die Nacht war klar und in der Dunkelheit des Walds mit einem prächtigen Sternenhimmel gesegnet. Auf dem Vorplatz war niemand zu sehen. Alle schienen fest zu schlafen. Kilian ließ den Mann an der Rezeption weiterdösen und machte sich auf den Weg zu Ute Mayers Zimmer. Sie würde keinesfalls zu Bett gegangen sein. Stattdessen vermutete er sie zufrieden an der Hausbar mit einem Glas Champagner.
    Er klopfte an ihre Tür.
    «Ich muss mit Ihnen sprechen.»
    Niemand antwortete, und so klopfte er stärker.
    «Einen Moment», hörte er.
    Schließlich öffnete Ute Mayer, eilig in einen Morgenmantel gehüllt und mit hochgesteckten Haaren. Es sah so aus, als hätte sie sich bettfertig gemacht. Aber etwas stimmte nicht. Unter dem Saum schaute eine Jeans hervor, und das Fenster stand offen. Fürs Durchlüften sehr mutig. Es war eine frostige Nacht, und es hatte eher den Anschein, als wollte sie etwas verheimlichen. War sie allein im Zimmer?
    «Was gibt es denn noch?», fragte Ute Mayer unwirsch. «Es ist spät, und ich will zu Bett.»
    «Es dauert nicht lange.» Er trat unaufgefordert ein. «Wenn ich diese Unterlagen richtig verstehe», er zeigte ihr die Papiere, «dann handelt es sich hier um Erpressung. Ist Ihnen das klar? Darauf steht Freiheitsentzug.»
    Ute Mayer war nicht beeindruckt. «Von Erpressung kann nicht die Rede sein.»
    «Wovon dann?»
    «Jemand, der so eine Historie wie Schachtner aufweist, sollte sich schämen, auch nur eine Minute länger in verantwortlicher Position zu sein.»
    «Also doch Erpressung.»
    «Ich habe ihm klargemacht, dass er nicht länger mit meinem Stillschweigen rechnen kann. Im Gegenteil, er hat sich strafbar gemacht. Es ist meine Bürgerpflicht, seine Schweinereien ans Licht zu bringen.»
    «Wieso kamen Sie damit nicht zu mir?»
    «Reiner Schachtner ist ein verdienstvoller Parteikollege. Ich wollte ihm die Gelegenheit geben, selbst für reinen Tisch zu sorgen. Das hat in unserer Partei Tradition, und das ist auch gut so.»
    «Und deshalb setzen Sie ihm das Messer auf die Brust?»
    «Das hat er längst selbst getan. Nichts bleibt für immer verborgen. Eines Tages kommt alles raus.»
    Kilian zeigte ihr die Papiere.
    «Wie sind Sie überhaupt an dieses Zeug gekommen? Das lag doch nicht einfach auf seinem Schreibtisch herum.»
    Ute Mayer blickte auf.
    «Ich habe keinen einzigen Finger dafür krumm gemacht.»
    «Das glaube ich Ihnen nicht.»
    Sie grinste.
    «Wenn Sie wüssten, was mir alles unaufgefordert zugeschickt und zugeflüstert wird. Ich muss mich in keinster Weise darum bemühen. Jeder hat Feinde, selbst im eigenen Bett, und niemand verbirgt irgendetwas auf ewig. Rache, Eifersucht, Neid   … Suchen Sie sich’s aus. Jeder einzelne davon ein verdammt guter Grund, um es jemand anderem heimzuzahlen.»
    Ihr Blick ging für einen Moment zum Fenster.
    «Ich stoße die Dinge nur an. Jeder ist frei in seiner Entscheidung, was er daraus macht.»
    Kilian drehte sich um. Gegenüber lag das Gästehaus in einem unheilvollen Mondlicht. Auf dem Flachdach, das als Terrasse für die Gäste diente, hielt sich jemand auf. Im Gegenlicht bildete sich die Kontur eines Menschen ab – eines Mannes, dickleibig und verstört, der auf den Rand zutaumelte. Dahinter ging es tief in die Teufelsschlucht.
    Kilian hastete zur Tür hinaus.
    «Rufen Sie die Polizei an. Ich kümmere mich um

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