Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
dass eine Gruppe Aufrührer, angeführt von einem Priester, auf das Haus des Anwalts zumarschierten, hatte er zwei seiner Männer dorthin geschickt. Einer der beiden sah einen Bauern, der mühsam den steilen Pfad in die Schlucht hinunterkletterte, folgte ihm und hielt ihn an. Doch als er den Baron erkannte, ließ er ihn sofort gehen.»
«Entschuldigen Sie, sagten Sie nicht, der Carabiniere hatte einen Bauern gesehen?»
«Weil der Signor Barone als Bauer verkleidet war.»
Jetzt stand auch dem Bürgermeister der Mund offen. Man begriff ja gar nichts mehr. Was war eigentlich los in dieser verfluchten Stadt?
«Was hat der Baron dem Carabiniere gesagt?», fragte der Dottore.
«Er sagte, er habe Lust gehabt, ein wenig Luft zu schnappen.»
«Und warum hatte er sich verkleidet?»
«Er wollte während seines Spaziergangs nicht von Bekannten gestört werden.»
«Vielleicht war er zu Teresi gegangen.»
«Das ist seine Sache», bemerkte der Capitano. «Doch aus alldem geht klar hervor, dass Sie lügen, Dottore. Wenn Sie sich nicht innerhalb von fünf Minuten entschließen, die Wahrheit zu sagen, lasse ich Sie verhaften.»
Und so kam es, dass Don Anselmo vernehmlich fluchend nach Hause ging, während Dottor Bellanca das Rathaus in Handschellen verließ, zur Rechten und zur Linken je einen Carabiniere.
Der Capitano hatte Anklage gegen den auf freiem Fuß befindlichen Don Anselmo erhoben, während der Dottore in Haft genommen wurde, da beide, «durch ein gemeinsames kriminelles Vorhaben mit noch ungeklärten Zielen eine schwere Störung der öffentlichen Ordnung verursacht hatten, indem sie mit Vorbedacht beunruhigende Nachrichten verbreiteten, die geeignet waren, eine Panik in der örtlichen Bevölkerung hervorzurufen».
Die Nachricht von der Verhaftung des Dottor Bellanca und der Anklage gegen Don Anselmo löste mehrere Ereignisse aus.
Don Liborio Spartà schickte den Vereinsdiener Casimiro von Haus zu Haus, um den Vorstand zusammenzurufen: Die Versammlung sollte um fünf Uhr nachmittags stattfinden, doch wegen des Kriegsrechts wurden die Vorstandsmitglieder gebeten, in zeitlichem Abstand voneinander einzutreffen, ohne aufzufallen.
Bürgermeister Calandro hängte sich ans Telefon, um mit dem Präfekten zu sprechen. Er berichtete Seiner Exzellenz, Commendator Eustachio Benincasa, dass die Stadt derzeit ohne einen verantwortlichen Arzt des öffentlichen Gesundheitswesens sei, da der Amtsinhaber verhaftet wurde, seiner Meinung nach eine ganz und gar willkürliche Entscheidung. Daher bitte er Seine Exzellenz, einen Arzt aus der Provinzhauptstadt einzuberufen und nach Palizzolo zu schicken. Calandro sagte auch, dass es ein schwerer Schlag für den ganzen Ort gewesen sei, den von allen geliebten und geschätzten Dottor Bellanca in Handschellen über die Straße gehen zu sehen. Kurzum, die Handlungsweise von Capitano Montagnet errege allgemein großen Verdruss. Seine Exzellenz, der Präfekt, sei hiermit gewarnt.
Kaum hatte der Bürgermeister aufgelegt, betraten Don Serafino Labianca, Commendator Agusto Padalino und Padre Alighiero Scurria, der Pfarrer der Kirche zum Heiligsten Herzen Jesu, ohne anzuklopfen, sein Amtszimmer.
«Stimmt es …»
«… dass der Capitano …»
«… den Dottore verhaftet hat?»
Das war die erste dreigeteilte Frage.
«Es stimmt.»
«Stimmt es …»
«… dass Don Anselmo …»
«… auf freiem Fuß ist, aber unter Anklage steht?»
Das war die zweite dreigeteilte Frage.
«Es stimmt.»
«Der Mann ist ja wahnsinnig!», rief Padre Scurria.
«Aber warum hat er denn Bellanca verhaftet?», fragte Don Serafino.
«Weil er ihm nicht sagen wollte, an welcher Krankheit der Marchese und der Barone leiden. Nein, vielmehr hat er ihm gesagt, dass es die Influenza ist, aber Montagnet glaubt ihm nicht.»
«Das ist doch die Höhe!», erregte sich Padre Scurria. «Weiß dieser Capitano denn nicht, dass ein Arzt so etwas wie ein Pfarrer ist? Wir dürfen nicht sagen, was wir im Beichtstuhl erfahren, und die Ärzte dürfen nicht über die Krankheiten ihrer Patienten sprechen.»
«Das ist eine regelrechte Gewalttat!», rief Don Serafino aus.
«Es ist die nicht auszurottende, bekannte Verachtung der Piemonteser für uns Sizilianer», tönte der Commendatore. «Aber das lasse ich diesem Drecksack nicht durchgehen. Ich laufe sofort aufs Amt und telefoniere mit Ciccino Barrafranca in Rom. Ich werde ihn über alles informieren und ihn bitten, unverzüglich einzuschreiten.»
Der Abgeordnete Francesco
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