Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
Kreuzzeichen, legte sich das Parament um, betete und öffnete das Gitterfenster.
«Was ist dir widerfahren, meine Tochter?»
«Ich habe meine Jungfräulichkeit verloren.»
Und sie begann laut zu weinen, zum Glück war niemand in der Kirche.
«Wie bitte? Erst amüsierst du dich, und dann kommst du hierher, um dich auszuweinen, du dummes Ding?», empörte sich der Pfarrer.
«Ich habe mich nicht amüsiert! Es war der Brigant Salamone!»
Und sie begann zu erzählen, was passiert war. Von Zeit zu Zeit unterbrach sie der Pfarrer, um sich nach Einzelheiten zu erkundigen, wie es seine Pflicht war.
«Zweimal von vorn und zweimal von hinten?! Entsetzlich! Grauenhaft!»
«Hat er dir sehr wehgetan?»
«Und du, hat es dir gefallen, als er …?»
Schließlich fing Rosalia an zu schreien:
«Ich bin verdammt! Verdammt in alle Ewigkeit! Obwohl Vossia mir das heilige Wasser zu trinken gab, damit es mich beschützt, bin ich trotzdem verdammt!»
«Nicht doch, Rosalia, so darfst du nicht sprechen. Das heilige Wasser, das aus meinem Körper quoll, sollte dich vor dir selbst beschützen, vor den Versuchungen, denen du erliegen kannst. Aber das hier ist anders! Du bist gezwungen worden. Du hast es nicht aus freiem Willen getan. Du trägst keine Schuld!»
«Meint Ihr wirklich?»
«Wirklich. Deine Seele ist gerettet, aber der Leib ist furchtbar beschmutzt und besudelt worden. Wir müssen ihn wieder rein und sauber machen.»
«Wie denn, Padre?»
«Durch die Bußwerke, die ich dir auferlegen werde, Rosalì.»
SECHSTES KAPITEL
Die Lage wird komplizierter
Vier Tage nach dem denkwürdigen Choleratag verließen Don Anselmo und seine Frau um acht Uhr morgens mit ihrer Kutsche die Forcaiola, um nach Palizzolo zurückzukehren. Tenente Villasevaglios, der sie mit zwei Carabinieri zu Pferd begleitete, hatte ihnen erklärt, dass es zu keinem Zeitpunkt einen Fall von Cholera gegeben hatte. Er hatte Don Anselmo auch mitgeteilt, dass Capitano Montagnet ihn dringend sprechen wolle, aber den Grund nannte er nicht, wie sehr Don Anselmo ihn auch mit Fragen bestürmte.
Da sie, um nach Palizzolo zu gelangen, ohnehin den Weg über San Giusippuzzo nehmen mussten, erhielt Don Anselmo vom Tenente die Erlaubnis, einen Augenblick bei seinem Landgut haltzumachen, wo er eine Brille holen wollte, die er in der Nacht der Flucht zur Forcaiola vergessen hatte. Als er auf den Hof kam, sah er, dass die Tür zum Haus seines Feldhüters ’Ngilino geschlossen war und die Rollläden heruntergelassen. Der Feldhüter machte sicher seine Runde auf den Ländereien, aber konnte es sein, dass Catarina und Totina immer noch krank waren? Don Anselmo ging ins Haus und holte seine Brille, doch als er gerade wieder in die Kutsche steigen wollte, sah er eine dünne Rauchfahne aus dem Schornstein am Haus des Feldhüters aufsteigen. Also war jemand da!
«Nur einen Moment», sagte er zum Tenente.
Und ging an die Tür des Feldhüters klopfen. Catarina, die ihn hinter den Rollläden beobachtete, blieb stumm dort stehen und rührte sich nicht.
«Du musst ihm aber aufmachen», sagte Totina, die neben ihr stand.
«Und warum?»
«Weil die Carabinieri dabei sind.»
Catarina ging hinunter und öffnete die Tür.
«Guten Tag, Eccellenza.»
«Guten Tag, Catarina. Warum wolltest du mir nicht aufmachen?»
«Ich habe die Influenza, ich musste aus dem Bett aufstehen.»
«Und Totina?»
«Die liegt auch im Bett.»
«Ich gehe sie ein bisschen aufmuntern», sagte Don Anselmo und schickte sich an einzutreten, zum Schutz vor Ansteckung ein Taschentuch vor die Nase haltend.
Aber Catarina versperrte ihm den Weg.
«Geht nicht hinauf, Vossia.»
Don Anselmo ergrimmte. Was erlaubte sich diese dumme Bäuerin? Er versetzte ihr einen Stoß und ging hinauf. Totina stand am Fenster ihres Zimmers.
Es gibt Frauen, die sind im achten Monat schwanger, aber man sieht ihnen nichts an, und andere, die schon mit zwei Monaten einen so großen Bauch haben, dass man denkt, sie müssten jeden Moment niederkommen. Totina gehörte zu dieser zweiten Sorte.
Don Anselmo, der die Treppe hinaufgelaufen war, blieb abrupt stehen. Hinter seinem Rücken hörte er Catarina weinen. Dann machte Don Anselmo zwei Schritte nach vorn und gab dem Mädchen eine schallende Ohrfeige. Die rührte sich nicht, hob nicht den Arm, um sich zu schützen, sondern blieb stehen und sah ihn an.
«Wer war das?»
Sie antwortete nicht.
«Wer war das?», fragte er noch einmal, erneut den Arm hebend.
«Der Heilige Geist
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