Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
überzeugt, lasse ich Sie wegen vorsätzlicher Störung der öffentlichen Ordnung verhaften!»
Don Anselmo lief rot an und öffnete den Mund zu einer angemessenen Antwort, doch ein kräftiger Fußtritt des Bürgermeisters, unter dem Schreibtisch ausgeführt, bewog ihn, sich ruhig zu verhalten.
«Nun sprechen Sie schon», drängte der Capitano.
Bevor er ins Rathaus ging, hatte Don Anselmo sich zu Hause umgezogen, und dort hatte er erfahren, dass sein Hausmädchen Giseffa die Sache weitergetragen hatte. Also berichtete er dem Capitano, wie er, überzeugt, die Cholera sei ausgebrochen, seine Frau informiert hatte, worauf seine Frau es dem alten Hausmädchen Suntina und diese wiederum der jungen Giseffa weitererzählt hatten. Giseffa war zum Haus ihres Vaters gelaufen, die Nachricht hatte sich verbreitet, und das Unheil hatte seinen Lauf genommen.
«Ein Punkt bleibt noch ungeklärt», sagte der Capitano. «Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Cholera sei ausgebrochen?»
Mit Engelsgeduld erzählte Don Anselmo, dass es Dottor Bellanca gewesen sei, der ihn auf die Idee gebracht hatte, denn als er ihn zwischen dem Palazzo Lo Mascolo und dem Palazzo Cammarata hin- und herlaufen sah, habe er ihn gefragt, was denn los sei, und der Dottore habe ihm auf eine Weise geantwortet, dass …
«In Ordnung», sagte der Capitano. «Gehen Sie.»
Don Anselmo erhob sich, doch als er dem Bürgermeister zum Abschied die Hand reichen wollte, ließ ihn ein Satz des Capitano erstarren.
«O nein, Sie können noch nicht fortgehen. Ich meinte, setzen Sie sich ins Nebenzimmer.»
«Verfluchter …», fing Don Anselmo wieder an.
Der Bürgermeister legte ihm eine Hand auf den Mund und schob ihn zur Tür des Nebenzimmers. Doch der Capitano hatte nichts bemerkt, weil er schon hinausgegangen war. Kurze Zeit später kehrte er mit Dottor Bellanca zurück, ließ ihn auf Don Anselmos Stuhl Platz nehmen und sagte:
«Signor Buttafava hat uns soeben erzählt, dass Sie es waren, Dottore, der ihn in die Irre geführt hat. Denn als Sie ihn sowohl zum Palazzo Lo Mascolo als auch zum Palazzo Cammarata gehen sahen, sagten Sie ihm, dass nicht nur der Baron und sämtliche Mitglieder seiner Familie, sondern auch der Marchese mit seiner gesamten Familie erkrankt seien, aber die Krankheit wollten Sie nicht näher spezifizieren. Ist das richtig so?»
«Ich kann das vollauf bestätigen.»
«Meiner Meinung nach gibt es nunmehr keinen Grund …», versuchte der Bürgermeister.
Aber der Capitano schien ihn nicht gehört zu haben.
«Warum haben Sie Signor Buttafava nicht gesagt, dass es sich nur um eine Influenza handelte, wenngleich in einer schweren Form? Wenn Sie das getan hätten, wäre Signor Buttafava keinem Trugschluss erlegen.»
«Hm. Nun, seine beharrliche Neugierde hat mich geärgert. Außerdem gestattet die ärztliche Ethik nicht, dass …»
«Ich verstehe. Handelte es sich wirklich um eine schwerwiegende Form der Influenza?»
«Gewiss doch!»
«Erinnern Sie sich noch, wie hoch das Fieber von Marchese Cammarata am Sonntagmorgen war?»
«Nicht mehr genau … aber sicher achtunddreißig, neununddreißig …»
«Und warum ging der Marchese an dem Vormittag in den Verein?»
«Er ist dickköpfig, müssen Sie wissen. Es sollte über die Aufnahme von Avvocato Teresi in den Verein abgestimmt werden … Ich hatte ihm geraten, nicht aufzustehen, doch er … Und prompt verschlechterte sich sein Zustand, als er nach Hause zurückgekehrt war.»
«Wohingegen Barone Lo Mascolo Ihren Rat befolgte und im Bett blieb.»
Worauf wollte dieser Kotzbrocken bloß hinaus?, fragte sich der Bürgermeister. Zum Glück verlor Bellanca nicht die Fassung.
«Selbst wenn er gewollt hätte, er hätte nicht aufstehen können. Ihn hatte es am schlimmsten erwischt!»
«Hatte er hohes Fieber?»
«Sehr hoch. Vierzig.»
«Auch am Montagmorgen?»
Auf diese Frage war der Dottore nicht gefasst.
«Ähm … ich weiß nicht … ich erinnere mich nicht …»
«Strengen Sie Ihr Gedächtnis an.»
«Lassen Sie mich nachdenken. Montagmorgen, sagen Sie? Nun, wenn es nicht vierzig war, dann hatte er bestimmt neununddreißigeinhalb.»
«Und wie erklären Sie mir, dass er am Montagmorgen um sieben Uhr oder wenig später von einem Carabiniere des Maresciallo Sciabbarrà in der Schlucht hinter dem Haus von Avvocato Teresi angehalten wurde?»
Bellanca starrte ihn mit offenem Mund an, der Bürgermeister erbleichte.
«Hat man ihn … verhaftet?»
«Nein. Da der Maresciallo erfahren hatte,
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