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Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Die Sekte der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Hauses, um die Leute zu beobachten, die vorübergingen. Tatsächlich war er dort. Calandro sprach ihn von der Straße aus an.
    «Commendatore, haben Sie es schon erfahren?»
    «Dass Bellanca freigekommen ist? Ja.»
    «Ich bin dem Abgeordneten Barrafranca zu Dank verpflichtet, weil er …»
    «Sie irren sich, Bürgermeister, ich bin gar nicht dazu gekommen, mit Ciccino zu sprechen.»
    Also hatte Montagnet selbst beschlossen, Bellanca freizulassen. Aber warum?
    Es war fast zwölf Uhr Mittag als der Feldhüter ’Ngilino im Hause Buttafava ankam. Er lud Käse, Frischkäse, Ricotta, Obst, Gemüse, Schweinswürste, ein frisch geschlachtetes Lämmchen und vier Kaninchen vom Maultier und brachte alles in die Vorratskammer. Dann ging er in Don Anselmos Arbeitszimmer.
    «Vossia müssen mich wegen gestern entschuldigen. Aber ich hatte das mit Totina grad erst erfahren, und ich wäre fast durchgedreht …»
    «Warum hast du es mir nicht gleich gesagt?»
    «Hab mich geschämt. Meine Frau erzählt, dass Vossia dem Mädchen eine Maulschelle verpasst haben. Recht habt Ihr getan.»
    «Für mich war sie wie eine Tochter.»
    «Ich weiß, Don Anselmo.»
    «Weißt du auch, warum ich so wütend geworden bin, ’Ngilì? Weil sie sich über mich lustig machte! Sie hat mir gesagt, es sei der Heilige Geist gewesen, der sie geschwängert hat!»
    «Vossia, bei allem Respekt, Ihr irrt Euch. Sie wollte sich über Vossia nicht lustig machen. Sie glaubt das wirklich.»
    «Was?»
    «Sie glaubt, dass es der Heilige Geist war. Sie sagt das in vollem Ernst.»
    «Ist sie verrückt geworden?»
    «Nein, sie ist ganz normal. Bloß, dass sie sagt, es war der Heilige Geist.»
    «Aber du, hast du eine Idee, wer es gewesen sein könnte?»
    «Ich habe keinen blassen Schimmer. Nicht mal meine Frau kann es sich erklären. Ihr müsst wissen, Catarina lässt Totina niemals allein. Sie haben Angst vor all diesen Verbrechern, die durchs Land ziehen … Totina ist ein schönes Mädchen, da könnte leicht jemand auf dumme Gedanken kommen.»
    «Dann bleibt uns also nichts anderes übrig, als zu glauben, dass es der Heilige Geist war?»
    ’Ngilino zuckte mit den Schultern.
    «Und wenn Catarina und Totina am Sonntag zur Messe in den Ort gehen?»
    «Da lässt sie das Kind noch weniger allein als in San Giusippuzzo. Am Morgen kommen Totina und Catarina an, beichten und empfangen die Kommunion bei der Messe. Gegen vier Uhr nachmittags nehmen sie wieder den Weg nach San Giusippuzzo.»
    «Moment mal», unterbrach ihn Don Anselmo. «Was machen sie nach der Messe bis vier Uhr?»
    «Sie gehen essen bei meiner Schwägerin Clarizza, der älteren Schwester von Catarina.»
    «Diese Schwägerin, hat die Söhne?»
    «Ja, zwei. Aber die sind in Amerika.»
    «Und ihr Mann, wie alt ist der?»
    «Achtzig. Als sie heirateten, war Turiddru zwanzig Jahre älter als Clarizza.»
    In welche Richtung sie auch überlegten, es wollte einfach nichts dabei herauskommen. War es am Ende womöglich doch der Heilige Geist?
    In diesem Moment ertönte von der Straße her die Stimme des städtischen Ausrufers.
    Er rief, zuerst auf Italienisch für die, die es verstanden:
    «Einwohner von Palizzolo! Das Kriegsrecht wurde außer Kraft gesetzt! Damit sind auch die Ausgangssperre und das Versammlungsverbot offiziell aufgehoben!»
    Und gleich danach die Übersetzung:
    «Leute von Palizzolo! Mit dem Kriegsrecht ist’s vorbei! Ihr könnt bis spät nachts draußen bleiben und euch treffen, wie und wann ihr wollt!»
    Um vier Uhr nachmittags fing der Vereinsdiener Casimiro den Bürgermeister ab, als der gerade sein Haus verließ, um ins Rathaus zu gehen.
    «Don Liborio bittet Euch, kurz im Verein vorbeizukommen.»
    Als Calandro den Vereinssaal betrat, begannen alle zu applaudieren.
    «Hoch lebe unser Bürgermeister!», rief Don Stapino Vassallo.
    Fast alle Mitglieder waren da, sogar Dottor Bellanca, der selten in den Verein ging, nur Barone Lo Mascolo und Marchese Cammarata fehlten.
    «Sind wir vollzählig?», fragte der Vorsitzende Spartà den Sekretär.
    «Vollzählig, es fehlen nur die Kranken.»
    «Casimiro!», rief Don Liborio.
    Und der Diener kam mit vier Flaschen Champagner herein, die soeben aus dem Eis geholt worden waren. In einer Ecke des Saals war schon ein Tischchen mit den Gläsern vorbereitet. Die Flaschen wurden entkorkt, die Gläser gefüllt.
    «Bedienen Sie sich bitte, Signori», sagte Don Liborio Spartà. «Doch zunächst möchte ich einen Trinkspruch ausbringen, um dem Bürgermeister Calandro

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