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Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Die Sekte der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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unterdessen in die nächstgelegene Kirche gelaufen, die von San Giovanni. Die Tür war angelehnt, er ging hinein und wäre fast mit dem Pfarrer Don Alessio Terranova zusammengestoßen, der die Kirche gerade schließen wollte.
    «Don Filiberto hat sich umgebracht!»
    Don Alessios linker Fuß blieb in der Luft stehen, er konnte den Schritt nicht vollenden.
    «Verflucht, was sagst du da?»
    «Er hat sich umgebracht! An einem Balken aufgehängt! Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen!»
    Don Alessio setzte den Fuß auf dem Boden auf.
    «Hat er was Schriftliches hinterlassen?»
    «Ich hab nichts gesehen. Außerdem war ich furchtbar erschrocken!»
    «Wasch dir das Gesicht!»
    «Wie bitte?»
    «Wasch dir das Gesicht. Es ist voller Blut.»
    «Gut, ich geh in die Sakristei.»
    «Nein, verlier keine Zeit. Wasch dich hier mit dem Weihwasser im Taufbecken. Und dann gehst du Padre Raccuglia, Padre Scurria, Padre Samonà, Padre Marrafà und Padre Pintacuda benachrichtigen.»
    «Sie haben Padre Dalli Cardillo vergessen.»
    «Ich habe ihn nicht vergessen. Zu Padre Dalli Cardillo brauchst du nicht zu gehen. Sag allen, sie sollen spätestens in einer Viertelstunde hier sein.»
    «Tut mir leid, Kollege, bei Gericht hat man uns gesagt, dass im Moment kein Richter verfügbar ist.»
    «Was bedeutet das: im Moment?», fragte Maresciallo Sciabbarrà seinen Kollegen Ciaramiddaro am anderen Ende der Leitung.
    «Es bedeutet, dass vor morgen früh kein Untersuchungsrichter aus Camporeale nach Palizzolo kommen kann.»
    «Und ich lass den Pfarrer bis morgen am Balken hängen?»
    «Ich mache dir einen Vorschlag. Schneid den Strick durch, an dem er hängt, und wenn man dich fragt, warum, sagst du, du hast es getan, weil du den Eindruck hattest, der Pfarrer würde noch leben.»
    «Na gut, und was mach ich dann mit der Leiche?»
    «Du lässt aus den Brettern seines Bettes einen Katafalk bauen und stellst ihn in der Kirche auf.»
    «Bist du verrückt?»
    «Wieso?»
    «Wenn der Bischof das erfährt, reißt er mir den Arsch auf! Der Mann hat sich umgebracht, der ist exkommuniziert!»
    «Stimmt. Warte, ich frage den Capitano.»
    Drei Minuten vergingen, während derer Maresciallo Sciabbarrà sich die Seele aus dem Leib fluchte.
    «Sciabbarrà? Der Capitano will wissen, ob es in der Sakristei Truhen gibt.»
    «Ja, zwei oder drei.»
    «Warte einen Moment.»
    Der Maresciallo hatte Zeit genug, seinen gesamten Vorrat an Flüchen auszuschöpfen.
    «Sciabbarrà? Der Capitano sagt, du sollst die Leiche in die Sakristei bringen und erst mal in eine der Truhen legen.»
    «Und dann?»
    «Dann wird man weitersehen. Und lass niemanden in die Sakristei rein.»
    Seine Exzellenz Hochwürden Egilberto Martire, Bischof von Camporeale, pflegte nach dem Mittagessen eine halbe Stunde zu schlafen. Der Befehl, den er diesbezüglich ein für alle Mal gegeben hatte, lautete:
    «Ihr dürft mich nicht wecken, ganz egal, aus welchem Grund! Ihr dürft mir nicht mal auf die Eier gehen, wenn ihr die Trompeten des Jüngsten Gerichts hört!»
    Dieses Problem löste sein Sekretär Don Marcantonio Panza, indem er den Zweiten Sekretär, Don Costantino Perna, rufen ließ.
    «Don Constantino, gerade eben hat mich der Bürgermeister von Palizzolo angerufen. Es scheint, dass der Pfarrer von San Cono, Don Filiberto Cusa, Selbstmord begangen hat.»
    «Selbstmord? O Gott! Das ist ja unglaublich! Aber ist man sich denn sicher?»
    «Ebendarum habe ich beschlossen, unverzüglich nach Palizzolo aufzubrechen, um mich persönlich zu vergewissern. Seine Exzellenz werde ich telefonisch informieren. Und wenn er aufwacht, berichten Sie ihm alles mit der größten Vorsicht.»
    Mit Hilfe des Gefreiten Magnacavallo und zweier Carabinieri tat Maresciallo Sciabbarrà das, was ihm der Capitano gesagt hatte, und zur Sicherheit legte er nicht nur die Paramente, die er in der Truhe gefunden hatte, auf den Deckel der Truhe, sondern stellte auch vier schwere Bronzeleuchter darauf ab. Dann postierte er den Gefreiten und die beiden Carabinieri als Wache vor der Tür zur Sakristei, damit niemand hineinkonnte, und ging zur Station zurück.
    Eine halbe Stunde später sah der Gefreite sich sechs Pfarrern gegenüber, die er gut kannte.
    «Wir sind gekommen, um den Leichnam unseres unglücklichen Bruders zu segnen», sagte Don Alessio Terranova tiefbetrübt und schlug seinen Umhang auf, damit man das Weihwasserbecken und den Aspergill sah.
    Dem Gefreiten Magnacavallo brach der kalte Schweiß aus. Was sollte er denen jetzt

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