Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
Dottor Palumbo und bring ihn her. Ich mache mir Sorgen um Stefano.»
ELFTES KAPITEL
Ein unbequemer Tod
Es war der Küster Virgilio Bellofiore, der den Leichnam von Padre Filiberto entdeckte, und gleich darauf erlebte das Städtchen die zweite Folge, nämlich fast dasselbe Tohuwabohu wie am Tag von Don Anselmos Cholera.
Entsetzt war der Küster aus der Wohnung gelaufen, hatte mit einem Fuß ins Leere getreten, war die Treppe hinuntergestürzt und hatte sich die Nase aufgeschlagen. Er stand auf und rannte auf die Straße, das Gesicht voller Blut und schrie verzweifelt:
«Don Filiberto hat sich umgebracht!»
Sofort gaben sich Hunderte den Satz von Mund zu Mund weiter. Wer auf der Straße war, wiederholte ihn für die, die am Fenster standen, wer aus den Fenstern lehnte, schrie ihn den Leuten auf den Balkonen zu, wer auf den Balkonen war, gab ihn an die Leute auf den Terrassen weiter, die ihn von den Terrassen aus in den Wind schrien, und der Wind trug die Stimmen bis auf die Felder rings um Palizzolo.
Da hörte, wer gerade aß, zu essen auf; wer gerade schlief, wurde geweckt; wer gerade stillte, legte das weinende Geschöpf zurück in die Wiege; wer gerade im Garten arbeitete, stellte die Hacke ab; wer gerade starb, konnte den Tod verschieben, und sogar die, die sich gerade liebten, hielten mittendrin inne.
Und alles, was Beine hatte, lief in Richtung San Cono, füllte die Piazza Garibaldi und verstopfte die Nachbarstraßen.
«Ist es wahr, dass er sich umgebracht hat?»
«Scheint so.»
«Ist es nun wahr oder nicht?»
«Es ist wahr.»
«Wie hat er sich umgebracht?»
«Mit Rattengift.»
«Erschossen hat er sich.»
«Vom Balkon gestürzt.»
«Mit dem Rauch vom Kohlenfeuer.»
«Er hat sich mit einem Strick am Balken aufgehängt.»
«Ins Herz hat er sich gestochen.»
«Warum denn bloß?»
«Er ist verrückt geworden.»
«Er war ein Spieler. Hatte hoch verloren beim Kartenspiel.»
«Er wusste doch nicht mal, was Karten sind!»
«Er war krank.»
«Er hatte Schulden.»
«Er hatte mit dem Bischof gestritten.»
«Er glaubte nicht mehr an Gott.»
«Hat er was Schriftliches hinterlassen?»
«Nichts.»
«Wieso nichts? Einer, der sich umbringt, hinterlässt immer einen Brief mit dem Grund!»
«Das ist sonderbar!»
«Höchst sonderbar!»
«Vielleicht hat er dem Bischof geschrieben.»
«Vielleicht hat er einen Brief geschrieben, aber den hat jemand verschwinden lassen.»
«Wer denn?»
«Keine Ahnung. Der Küster zum Beispiel.»
«Und warum sollte er den Brief verschwinden lassen?»
«Möglich, dass kompromittierende Dinge drinstanden.»
«Glaub ich nicht!»
«Mir kommen jetzt Zweifel.»
«Und wenn er sich gar nicht umgebracht hat?»
«Wie bitte, er hat sich gar nicht umgebracht?»
«Wenn man ihn so getötet hat, dass es aussieht, als hätte er sich umgebracht?»
«Warum hatte der Küster das Gesicht voll Blut?»
«Vielleicht hat er die Mörder überrascht.»
«Aber warum hat er dann geschrien, dass der Pfarrer sich umgebracht hat?»
«Sie haben ihm gedroht: Wenn er das nicht sagt, bringen sie ihn auch um.»
«Das ist doch ausgemachter Blödsinn!»
«Wer sollte Don Filiberto denn umbringen?»
«Er hatte keine Feinde.»
«Er hat immer nur Gutes getan.»
«Allen hat er geholfen.»
«Für jeden hatte er ein freundliches Wort.»
«Was ihm gehörte, hat er anderen gegeben.»
«Ein herzensguter Mensch war er!»
«Ein herzensguter Mensch? Ein Heiliger!»
«Ein Heiliger! Ein Heiliger! Ein Heiliger!»
Die erregte Menge begann vorwärtszudrängen, vielleicht um in die Kirche hineinzukommen und den Körper des Heiligen von nahem zu sehen, vielleicht auch nur, um den Druck der vielen nervenaufreibenden Tage von der Cholera bis zur Verhaftung von Marchese Cammarata irgendwie abzulassen.
«Heilig! Heilig! Heilig!»
«Wir rammen die Kirchentür auf!»
«Wir holen uns den Heiligen!»
«Wir tragen ihn in einer Prozession durch den ganzen Ort!»
Die sechs Carabinieri, die eine Absperrung gebildet hatten, begannen zurückzuweichen.
Maresciallo Sciabbarrà erkannte die aussichtslose Lage. Wenn diese Leute es schafften, sich des Leichnams zu bemächtigen, wären sie imstande, ihn im Nu in Stücke zu reißen, um sich eine Reliquie pro Kopf zu sichern.
Ohne lange zu überlegen, zog er seinen Revolver und schoss dreimal in die Luft. Alles flüchtete. Mit Ausnahme des Ragioniere Michele Orlando, eines Achtzigjährigen, der mitten auf der Piazza vom Schlag getroffen liegenblieb.
Der Küster war
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