Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
zù Peppi Timpa Grüße ausrichten lassen, und zù Carmineddru hat sofort zurückgegrüßt», sagte Don Stapino lachend.
«Meinen Sie?», fragte Don Serafino.
«Gibt es Ihrer Ansicht nach eine andere Erklärung?»
«Mögliche Erklärungen gibt es mehr als eine, mein Lieber. Nehmen wir zunächst an, dass es der geschickte Streich eines Vaters sein könnte. Denn das Leben seiner Tochter ist verpfuscht durch den von Teresi heraufbeschworenen Skandal. Er schießt auf Teresi, verfehlt ihn leider, doch alle werden sagen, dass niemand anderes als zù Carmineddru oder zù Peppi Timpa auf ihn geschossen haben kann.»
«Ich habe den Eindruck, Sie denken an eine bestimmte Person.»
«Marchese Cammarata? Nein, hier kommt er nicht in Frage, glaube ich. Es könnte, nur um einen Namen zu nennen und uns die Zeit zu vertreiben, zum Beispiel der Ragioniere Toto Lanza gewesen sein.»
«Der Direktor der Bank? Unsinn!»
«Entschuldigen Sie, warum finden Sie das so abwegig? Ist seine Tochter Filippa wegen Teresi etwa nicht in aller Munde? Und dann die Geschichte von Toto Lanza selbst … ach, lassen wir das!»
«O nein! Jetzt erzählen Sie mir alles, was Sie wissen!»
«Zufällig sprach ich gerade gestern mit dem Anwalt, der Padre Samonà verteidigt, das ist der Pfarrer, der Filippa, die Tochter von Lanza, seit langem missbrauchte. Der Anwalt sagt, Don Samonà habe ihm erzählt, als er einmal gerade mit der Kleinen fertig war, sei Toto Lanza in die Sakristei gekommen. Der Pfarrer hatte vergessen, die Tür abzuschließen. Zum Glück hatten die beiden sich gerade wieder angezogen, aber Filippa war rot wie eine Tomate, eine Brust hing ihr noch halb aus der Bluse, und es war mehr als offensichtlich, dass zwischen den beiden etwas vorgegangen war. Aber Toto Lanza sagte nichts, er murmelte sogar ‹Entschuldigung› und ging raus.»
«Also hatte er nichts verstanden!»
«Er hatte sehr wohl verstanden! Denn eine Woche später kam er zu Padre Samonà und sagte, er habe gehört, dass der Pfarrer ein Cousin des Präsidenten seiner Bank sei. Um es kurz zu machen, er verlangte, vom ersten Kassierer zum Filialleiter befördert zu werden. Don Samonà, der begriffen hatte, was für ein Tauschgeschäft Lanza ihm da vorschlug, tat, was er tun konnte, und innerhalb eines Monats wurde Toto Lanza Direktor.»
«Das wundert mich gar nicht», sagte Don Anselmo. «Toto Lanza sah immer schon aus wie einer, dem man Hörner aufgesetzt hat. Hörner durch die Tochter und vielleicht auch durch die Frau.»
«Das müsste man Don Cecè Greco fragen, der leider gerade nicht da ist!», sagte Commendator Padalino.
Es war allseits bekannt, dass Michela Lanza und Cecè Greco sich seit Jahren miteinander vergnügten.
«Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit», fing Don Serafino wieder an. «Nämlich dass niemand auf Teresi geschossen hat.»
«Wie können Sie so was sagen? Alle Nachbarn haben den Schuss gehört!»
«Immer mit der Ruhe. Ich meine, dass Teresi seinem Neffen Stefano gesagt haben könnte, er soll auf die Straße gehen und einen Schuss auf ihn abgeben.»
«Aber warum denn?»
«Niemand hat gesehen, wer geschossen hat. Darum kann er dem Schützen den Namen geben, den er in seiner Zeitung haben will. Und so dem Mann, der ihm im Moment am unsympathischsten ist, das Leben ruinieren. Nehmen wir Sie, Don Stapino, nur so als Beispiel. Wenn er schreibt, Sie seien derjenige gewesen, der auf ihn geschossen hat, wie wollen Sie sich verteidigen? Wollen Sie Verleumdungsklage gegen ihn erheben? Wenn Sie ihn verklagen, werden die Leute denken, Sie sind es wirklich gewesen. Glaubt mir, es gibt nur eines, was wir uns wirklich wünschen können: dass der Schütze ihn beim nächsten Mal nicht verfehlt.»
«Hatten Sie denn nicht erklärt, Sie würden für seine Aufnahme in den Verein stimmen? Was ist los, haben Sie Ihre Meinung geändert?», fragte Don Anselmo.
«Würden Sie dafür stimmen, eine wandernde Leiche als Mitglied aufzunehmen?»
Aus zwingenden familiären Gründen bin
ich genötigt, Ihr Mandat zu kündigen.
Grüße Galletto Giovanni
Mit diesem Telegramm, dem fünften, verlor er fünf seiner sechs wichtigsten Fälle. Fünf Telegramme in einer Woche, praktisch eins jeden Tag, alle identisch, alle mit derselben Formel aus zwingenden familiären Gründen . Damit er verstand, falls er es noch nicht verstanden hatte, dass eine Absicht dahintersteckte, dass er nie wieder einen jener Fälle haben würde, die ihm erlaubten, sich zu ernähren, zu überleben
Weitere Kostenlose Bücher