Die Sekte Satans
tiefer hinab“, gebot
der Oberpriester.
„Einen Verbrecher?“, fragte
Hugo.
„Das habe ich auch
vorgeschlagen. Aber Satan hat einen besonderen Wunsch. Ein Ausgestoßener soll
es sein, einer, der sich selbst aus der Gemeinschaft der Menschen entfernt hat.
Ein Herumtreiber, Vagabund, Penner, Stadt- oder Landstreicher. Die
Nichtsesshaften — so werden sie amtlich genannt. Einer von denen wird unser
Menschenopfer sein.“
Claudia begann wohlig zu
schnurren.
Auf Hugos Knochengesicht zeigte
sich ein rötlicher Begeisterungshauch.
„Geht!“, gebot Glänzer. „Seht
euch um! Sucht nach dem Richtigen! Er wird von niemandem gebraucht. Niemand
fragt nach ihm. In der Stadt und im Umland wimmelt es von diesen Leuten. Jetzt,
in der Sommerzeit, hausen sie am Flussufer. Nehmt ihn, bringt ihn zum
Satanshof, kerkert ihn ein! Am Mephistopheles-Tag wird er auf irgendeine Weise
unserem Satan geopfert. Wie weit wir dabei gehen — das wird Satan selbst noch
bestimmen. Vielleicht fordert er nur einen Finger — oder zwei. Vielleicht aber
fordert er alles — nämlich das Leben des Typs.“
Er hob einen seiner langen Arme
und wedelte in Richtung Tür. Die Audienz war beendet.
„Heil Satan!“, grüßten
Satanspriester und Aktiv-Hexe.
Beflügelt verließen sie den
Anwendungsraum.
Kaum dass sie draußen waren,
quetschte sich die dicke Petulia durch die Tür.
„Ein Ratsuchender, hoher
Priester, ist im Wartezimmer. Er scheint ziemlich krank zu sein. Soll ich ihn
wegschicken?“
Glänzer lutschte eine Pastille.
Sie bestand aus Kräutern und Zucker. Er hatte sie im Supermarkt gekauft und
dann eine Weile in Whisky eingelegt. Seinen Anhängern machte er weis, es
handele sich um Maulwurfsleber, getrocknete Regenwürmer und das Blut einer
alkoholsüchtigen Fledermaus.
SATANSWARZEN — wie er dieses Genussmittel
nannte — half gegen alles. Ab und zu durfte Petulia eine lutschen. Wenn er
nicht da war, machte sie sich heimlich über die Pastillen-Schachtel her. Er
merkte es immer, sagte aber nichts und wusste auch nicht, ob sie sich Linderung
erhoffte für irgendwas oder nur verfressen war.
„Wie sieht er aus?“, fragte er.
„Schäbig. Sein Anzug ist völlig
zerknautscht, ganz schlechte Qualität. Die Klamotten sind mindestens fünf Jahre
alt. Außerdem hat er einen Bart. Als ich ihn fragte, wie er heißt, hat er gesagt:
Robinson. Hat sich dann aber gleich verbessert. Er heißt Heinrich Wurzel.“
Glänzer überlegte. Er hatte
wenig Lust zu einer Gesundheitsanwendung. Doch dann entschied er sich gegen
seinen inneren Schweinehund.
„Schick ihn rein!“, sagte er.
8. Fehlschlag
„Die Teufelsanbeter“, sagte
Tim, „sind in Richtung Moosbeer-Wald gefahren. Das haben wir vorhin gesehen.
Beim Fuchsanger gabelt sich die Straße. Rechts geht’s nach Grabrode.“
Dr. Klaus Petersen nickte. „Ich
kenne die Strecke.“
Er fuhr flott, war konzentriert
und nahm den Blick nicht von der Fahrbahn.
„Wenn wir vor ihnen dort
wären“, überlegte Tim, „könnten wir ihnen einen heißen Empfang bereiten. Aber —
leider ist das nicht mehr zu schaffen.“
„Vielleicht fangen sie noch
andere Tiere“, sagte Karl. „Viele wurden gestohlen. Wir werden feststellen, ob
sie auch dafür verantwortlich sind.“
„Teufelsanbeter und Tierdiebe“,
sagte Tim, „das passt zusammen. Sie liefern ihre Beute bei der Versuchsanstalt
ab. Für die armen Geschöpfe ist das gleichbedeutend mit der Hölle. Mit
sinnlosen Versuchen werden sie gequält und gefoltert, angeblich im Namen der
Wissenschaft. Gifte werden an ihnen erprobt — und Krankheitserreger. Es ist
unfasslich, was Menschen den Tieren antun. Ich wünsche uns, Leute, dass wir
außer Humphrey auch alle anderen Tiere befreien können. Und das mit Gewalt,
wenn’s denn sein muss.“
„Ich verstehe deine Gefühle“,
sagte Klaus. „Es kann einen rasend machen, wenn man zusehen muss, was mit den
Tieren geschieht. Und das nur, weil die Tierschutzgesetze unzulänglich sind.
Auf die verantwortlichen Politiker müsste mehr Druck ausgeübt werden. Immerhin
zählen die Tierschützer nach Hunderttausenden und noch viel mehr Menschen
sympathisieren mit ihnen, sind aber zu bequem, um sich an Aktionen zu
beteiligen. Ein paar Millionen Wähler, die den Politikern einheizen, könnten
alles bewirken. Vor allem muss erreicht werden, dass unser Grundgesetz ergänzt
wird zum Schutz unserer Mitgeschöpfe, der Tiere. Denn damit — und erst damit —
wäre der Tierschutz als Staatsziel und Grundwert
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