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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Stelle hätte erwürgen können, egal ob telekinetisch oder mit meinen eigenen Händen. »Dann, Mitte der achtziger Jahre, hat sich die Situation verändert. Ich weiß nicht genau, wie und warum, aber auf einmal stieß man auf wirkliche Talente. Auf Telekineten, von denen man hoffte, dass sie eines Tages lernen würden, Raketen im Flug umzulenken oder Munitionsdepots aus der Ferne zu zünden. Auf Telepathen, die die Gedanken feindlicher Agenten lesen konnten. Und plötzlich war das nichts mehr für die Psychologen mit den Fragebögen und Spielkarten, plötzlich war das militärisches Forschungsgebiet. Das ist der Dreh-und Angelpunkt. Man will diese Fähigkeiten erforschen und militärisch nutzbar machen. Und man hat Angst, andere könnten einem zuvorkommen. Das alte Spiel des Wettrüstens.« Ich begriff. Endlich begriff ich wieder mal was. »Und deshalb kommt nichts mehr darüber im Fernsehen oder in der Zeitung. Weil alle Unterlagen und so weiter inzwischen geheim sind.« »Genau.« »Und diesen Leuten bist du entwischt.« »Zumindest versuche ich es.« Er kniff die Lippen zusammen, sein Blick ging in eine ungewisse Ferne. »Ich war sieben Jahre lang dort, weißt du? Sieben Jahre, in denen ich meine Eltern ganze drei Mal gesehen habe. Ein Gefängnis, das ist es, auch wenn sie alles tun, es einen vergessen zu lassen. Ein riesiger, teilweise unterirdischer Laborkomplex, hermetisch abgeschirmt, in dem sie etwa ein Dutzend Versuchspersonen wie mich haben, und um jeden schwirren unaufhörlich Wissenschaftler, Ärzte, Techniker und Zimmermädchen herum, von den bewaffneten Sicherheitskräften gar nicht zu reden. Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein Aufwand da getrieben wird. Ich habe auch ein paar der anderen kennen gelernt. Einen anderen Telekineten, der nur dann telekinetische Fähigkeiten hat, wenn er so aufgeregt ist, dass er Nasenbluten bekommt, und dem sie deshalb vor den Versuchsreihen immer Adrenalin und solches Zeug spritzen. Ein paar Telepathen, Gedankenleser, zum größten Teil noch kleine Kinder, einige von ihnen missgebildete Krüppel. Eine Zeit lang hatten sie ein Mädchen da, das die Zukunft vorhersagen kann. Jede Woche hat sie die Lottozahlen ein paar Tage vor der Ziehung gewusst, ohne sich jemals zu irren, hat es geheißen. Die Wissenschaftler ihrer Gruppe machten ein Vermögen, bevor ein Verbot für Institutsmitglieder erlassen wurde, die Vorhersagen des Mädchens für private Zwecke auszunutzen.« Ich versuchte aufzulachen, doch ich brachte nur ein ungläubiges Kieksen zu Stande. Das war einfach unglaublich, eine Geschichte aus einer anderen Welt. Wenn ich nicht gerade eben mit eigenen Augen so etwas wie das achte Weltwunder miterlebt hätte, hätte ich ihm kein Wort geglaubt. »Na ja, egal«, meinte Armand und es klang, als bedauere er es schon, so viel erzählt zu haben. »Ich bin ihnen entkommen und ich werde nicht wieder zurückgehen, nie wieder. Eher sterbe ich. Ich habe ein Recht auf mein eigenes Leben. Sie haben in all den Jahren nicht herausgekriegt, wie Telekinese funktioniert, und sie werden es auch nie herauskriegen. Weiß man denn, wie ein Maler funktioniert, ein Dichter, wie ein Komponist neue Melodien erfindet? Wenn sie glauben würden, man könnte es militärisch nutzen, dann würden sie Maler und Dichter und Komponisten in ihre Forschungsinstitute sperren und mit Ver suchsreihen, Drogen und Elektroschocks quälen. Und genauso wenig erfahren.« Es klang sehr bitter. Ich saß immer noch auf der Treppe, legte die Arme um meine Knie und sah ihn an. »Und was hast du jetzt vor?« »Weiterflüchten.« »Und wohin?« »Ans Ende der Welt, wenn es sein muss.« Er überlegte kurz, dann fragte er: »Wo überall in der Stadt hast du Polizei bemerkt?« Ich zögerte. Ob ich ihn wohl schneller loswurde, wenn es mir gelang, ihn glauben zu machen, dass das mit der Polizei halb so wild war? Oder würde er sich dann sicher fühlen und sich für die nächste Woche bei mir einquartieren? Keine Ahnung. Schließlich erzählte ich ihm einfach, was ich gesehen hatte: dass die Stadt von Polizisten wimmelte. »Hast du bei irgendeiner Polizeistreife einen rothaarigen Jungen stehen sehen, etwa zehn, zwölf Jahre alt, mit einem finsteren Gesicht voller Sommersprossen?« Ich verstand nicht, worauf er hinauswollte. »Nein«, sagte ich. »Das heißt, ich weiß es nicht. Wenn, dann ist er mir nicht aufgefallen. Wieso, wer soll das sein?« »Er heißt Pierre, und er wäre dir aufgefallen, wenn du ihn gesehen

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