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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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spricht die Polizei! Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit!« Eine blecherne Lautsprecherstimme, der man nicht einmal anhörte, ob ein Mann oder eine Frau sprach. Nach ein paar Sätzen über den Umfang der Polizeiaktion in der Stadt kam die Verlautbarung zum Wesentlichen: »Gesucht wird ein jugendlicher Gewaltverbrecher, der der schweren Körperverletzung und des Mordes dringend verdächtig ist. Er ist aus einer Bewahranstalt entwichen und es gibt Hinweise, dass er sich irgendwo in der Stadt versteckt hält. Achtung! Der Gesuchte ist gemeingefährlich, möglicherweise geistesgestört. Er ist bewaffnet und macht hemmungslos von der Waffe Gebrauch. Wenden Sie sich daher beim geringsten Verdacht an die nächste Polizeidienststelle oder an eine der Polizeistreifen. Handeln Sie nicht auf eigene Faust. Für sachdienliche Hinweise ist eine hohe Belohnung ausgesetzt. Hier die Beschreibung des Gesuchten: Sein Name ist Armand Duprée. Er ist siebzehn Jahre alt, wirkt aber jünger. Er ist schlank bis mager, etwa einen Meter fünfundsiebzig groß und hat langes schwarzes Haar. Er spricht mit französischem Akzent. Er trägt vermutlich eine Jeanshose und einen graubraunen Pullover, darüber eine hellgraue Jacke. Achtung, wir weisen nochmals darauf hin: Der Gesuchte ist gemeingefährlich, möglicherweise geistesgestört. Er ist bewaffnet . . .« »Ich bin nicht bewaffnet«, sagte Armand gelassen vom oberen Ende der Treppe her. »Und der Rest ist zum größten Teil auch gelogen.« Ich hatte mit wachsendem Entsetzen zugehört. Jetzt drehte ich mich langsam um und sah ihn an: Die Beschreibung stimmte haargenau. »Die Jacke liegt noch im Schrank«, fügte er hinzu, als sei das wichtig. »Stimmt das?«, fragte ich. »Hast du jemanden umgebracht?« Draußen quasselte der Lautsprecher noch etwas von Hinweisen und Belohnungen, dann brummte ein Motor und das Auto fuhr ahnungslos weiter. »Nein«, sagte Armand. »Ich habe auch niemanden verletzt, zumindest nicht schwer. Und ich bin weder gemeingefährlich noch geistesgestört. Alles erfunden.« Er wirkte tatsächlich ganz normal. Mindestens so normal wie ich, und ich halte mich für so ziemlich den normalsten Menschen der Welt. »Aber die Polizei würde doch nicht solche Dinge erzählen, einfach so...«Ich schluckte. »Es muss zumindest etwas dran sein.« Armand kam langsam die Treppe herab. »Wahr ist, dass ich aus einer Art Bewahranstalt geflohen bin, auch wenn ich sie nicht so nennen würde«, sagte er ernst. »Was sie verschweigen, ist, dass diese Anstalt in Frankreich liegt, an einem Ort, der so geheim ist, dass jeder, der auch nur eine Andeutung darüber macht, dass es diesen Ort überhaupt gibt, riskiert, lebenslänglich hinter Gittern zu verschwinden. Die da draußen in dem Wagen verschweigen es sicher nicht absichtlich. Die müssen glauben, was ihnen die französischen Behörden Übles über mich erzählen.« Ich schüttelte verständnislos den Kopf. »Aber warum das Ganze? Was soll diese Jagd?« »Wie ich schon sagte – sie wollen mich ganz einfach haben«, erklärte Armand. »Das, was die eben Bewahranstalt genannt haben, ist in Wirklichkeit ein großes Forschungsinstitut, eine hoch geheime militärische Anlage, wo man die letzten Jahre damit beschäftigt war, mich, Armand Duprée, Versuchskaninchen erster Klasse, nach allen Regeln der Kunst auseinander zu nehmen. Dort war ich und dort hätten sie mich liebend gern wieder.« »Dich? Aber warum?« »Du erinnerst dich an den Schürhaken, der plötzlich unendlich schwer wurde? An die Nachttischlampe? Schön – ich kann etwas, das außer mir praktisch niemand kann. Und die Herren in den weißen Kitteln möchten gerne herausfinden, warum ich es kann, wie ich es mache, was ich alles damit machen kann, wo meine Grenzen liegen, ob man es anderen Leuten bei bringen kann, ob es eine Fähigkeit ist, die sich vererbt, und was diesen Eierköpfen sonst noch alles einfällt.« Inzwischen stand Armand nur noch eine Stufe über mir auf der Treppe und wühlte in seinen Hosentaschen. Er förderte zwei kupfern glänzende Geldstücke zu Tage, die er mir auf der flachen Hand vors Gesicht hielt. »Siehst du die? Pass auf.« Seine Augen verengten sich leicht, ungefähr so, wie wenn jemand versucht, aus fünf Metern Entfernung eine Zeitung zu lesen. Und meine Augen verfolgten ungläubig die beiden Münzen, die sich von der Handfläche erhoben und gewichtslos wie Seifenblasen emporschwebten, um vor meiner Nase auf und ab zu tanzen. »Erstaunlich, n’est-ce

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