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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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pas?«, sagte Armand und zog die Hand weg. Das hinderte die beiden Münzen nicht daran, weiterhin in der Luft herumzuhängen. Armand sah sich unterdessen im Flur um, als ginge ihn das Ganze überhaupt nichts mehr an, und sein Blick fiel schließlich auf die drei Kuhglocken, die an der Wand neben der Küchentür hängen, ein Souvenir von einem lange zurückliegenden Familienurlaub im Allgäu. »Sehr gut«, hörte ich ihn sagen. Und ehe ich begriffen hatte, wovon er redete, zischten die beiden Geldstücke davon wie zwei winzige Überschalljäger, um Sekundenbruchteile später gegen die Kuhglocken zu prallen, gegen eine große und eine kleine. Ping! Pong! Klingelingeling. Ich starrte Armand an wie eine Erscheinung und ich muss wohl ziemlich blöde dreingeguckt haben, denn er grinste amüsiert, ging an mir vorbei und den Flur entlang, um die beiden Münzen langsam und umständlich wieder aufzulesen. So, als wolle er mir eine Chance geben, mit den Ereignissen geistig mitzukommen. »Vielleicht hast du schon mal etwas darüber im Fernsehen gesehen«, meinte er in beiläufigem Ton. »Man nennt das Telekinese.« Ich räusperte mich. »Tele- was?« »Ich bin Telekinet. Wenn ich will, bewegen sich Dinge wie von selbst – das heißt, sie bewegen sich so, wie ich es will. Sie gehorchen mir. Das ist Telekinese. Die Macht des Geistes über die Materie. Und ich bin zwar nicht der einzige Telekinet, den es gibt, aber vermutlich einer der besten, in aller Bescheidenheit.« Er grinste hohl. »Aus diesem Grunde wäre es auch völlig widersinnig, wenn ich tatsächlich wegen Mordes gesucht würde. Wenn ich jemanden umbringen wollte, könnte ich das aus hunderten von Metern Entfernung tun, absolut unbemerkt, ohne dass jemand es verhindern könnte und ohne dass man etwas anderes als einen natürlichen Tod feststellen würde. Ich könnte ihn telekinetisch erwürgen, ich könnte ihm das Genick brechen oder ich könnte ihm die Adern, die seine Herzkranzgefäße versorgen, so lange zupressen, bis er tot wäre – Herzinfarkt. Und man braucht nur ein Buch über Anatomie zu lesen, um sich noch locker hundert weitere Methoden auszudenken.«
    »Mein Gott«, murmelte ich. Armand stopfte seine Münzen wieder in die Hosentasche und ließ sich auf die Sitzbank neben der Schuhkommode fallen. »Aber ich habe niemanden umgebracht, obwohl ich eine Menge Leute kenne, die sich das wünschen würden.« »Dort, wo du herkommst?«, fragte ich skeptisch. »In diesem Institut?« »Ja, natürlich.« Er holte tief Luft. »Sie beschäftigen sich dort mit der Erforschung parapsychologischer Phänomene, seit Jahrzehnten schon. Vor zwanzig Jahren war Parapsychologie ein ziemlich intensiv diskutiertes Thema, weißt du? Aber in letzter Zeit ist es eher still darum geworden.« Armand verschränkte die Arme. »Was natürlich kein Zufall ist.« »Nicht?« Er schüttelte den Kopf, es sah fast spöttisch aus. »In den Siebzigerjahren muss das ein lustiges Leben gewesen sein. Damals sind Psychologen scharenweise mit Fragebögen, bunten Symbolkarten und automatischen Würfelmaschinen durch Universitäten, Schulen und Betriebe gezogen und haben endlose Reihenuntersuchungen durchgeführt, bei denen die Leute verdeckte Karten erraten mussten oder versuchen, die Würfel dazu zu bringen, öfter auf der Sechs liegen zu bleiben als statistisch erklärbar. Damals haben sie herausgefunden, dass es überraschend viele Menschen mit schwach ausgeprägten parapsychischen Fähigkeiten gibt. In praktisch jeder Schulklasse sitzt min destens einer, der beim Mensch-ärgere-dich-nicht öfter als normal gewinnt, weil er in brenzligen Situationen einfach die Zahlen würfelt, die er braucht. Und es ist Quatsch, zu sagen, das sei Zufall. Wenn es Zufall wäre, würde heute der eine und morgen der andere diese Art Glück haben. Doch diese Leute können es irgendwie erzwingen . Weil es eine Fähigkeit ist, kein Zufall. Es ist eine Vorform telekinetischer Begabung.« Jetzt musste ich mich auch setzen, auf die Treppenstufen. Ich kannte auch so jemanden, der, wenn es um Würfelspiele ging, mit einer Häufigkeit gewann, die fast unheimlich war: Jessica. Ich glaube, bei Malefiz hat sie noch nie im Leben verloren. Ich deutete auf die Kuhglocken. »Das hatte mit Würfeln aber nichts zu tun.« Armand nickte. »Stimmt. Das war etwas, das sich zu dieser Form von Würfelglück ungefähr so verhält wie eine Cruise Missile zum Speer eines Neandertalers.« Jetzt klang er wieder so eingebildet, dass ich ihn auf der

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