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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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habe mich bemüht, sie zu systematisieren, das Zufällige, die Vergeudung, das Ziellose auszuschalten. Statt Menschen von der Erde auf die Venus zu schicken, senden wir Venusier hinauf. Wenn sie dort ankommen, werden sie keine fremdartige, feindselige Welt vorfinden, sondern ihre wahre Welt, die echte Welt, die sie schon kennen – als Modell. Sie werden die höchste Verwirklichung dieser engen Nachbildung vorfinden.«
    »Wissen sie das?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
     »Weil es entscheidend darauf ankommt, daß sie glauben, niemand sei für ihre Lage verantwortlich. Wenn sie gewußt hätten, daß wir sie bewußt verändert und ihnen damit verwehrt haben, auf der Erde zu leben, hätten sie uns das nie verziehen. Über zwei Jahrzehnte in diesem Tank! Opfer eines wissenschaftlichen Experiments! Man hat ihnen stets gesagt, daß sie natürliche Mutanten sind, Mutanten aus der Kriegszeit wie die anderen. Sie sind ohne ihre Zustimmung ausgesucht worden. Sie waren unfreiwillige Versuchskaninchen, und viele von ihnen sind gestorben. Glauben Sie, das hätten sie uns je verziehen, wenn sie wüßten, daß wir ihnen das angetan haben?«
    »Aber sie kommen eines Tages dahinter.«
     »Sie merken es, wenn sie die Venus erreichen. Dann spielt es praktisch keine Rolle mehr, weil wir nicht dort sein werden; sie sind auf sich selbst gestellt. In diesem Augenblick wird Zorn absurd. Sie werden um ihre Andersartigkeit froh sein – guter Gott, sie bedeutet Überleben! Auf der Venus wären Sie und ich die Kuriositäten, unfähig, am Leben zu bleiben. Auf der Venus brauchten wir Tanks.«
     Nach einer Pause sagte Cussick nachdenklich: »Wann kann ich diese Venusier sehen?«
     »Ich veranlasse es. Bestimmt in ein paar Tagen. Dieses ganze Durcheinander hat den normalen Ablauf gestört, und sie spüren das auch. Sie sind so unruhig wie wir.«
     Vierundzwanzig Stunden später sah er die venusischen Mutanten zum erstenmal.
     Dr. Rafferty empfing ihn im Erdgeschoß des Gebäudes. Es war zwei Uhr früh, auf der Straße war es kalt und neblig.
     »Ich habe Sie angerufen, weil das eine ausgezeichnete Gelegenheit ist«, sagte Rafferty und führte ihn zur Auframpe. »Unsere kleinen Freunde regen sich gelegentlich etwas auf. Sie sind der Meinung, daß sie mit jedem fertig werden.«
    Nachdem das Fahrzeug die halb bewußtlosen Mutanten in ihren Tank zurückbefördert hatte, standen Cussick und Rafferty auf dem nebligen Gehsteig. Beide Männer spürten die Sinnlosigkeit der Mühen, die diese Mutanten auf sich genommen hatten, sie spürten die bedrückende Nähe der Niederlage.
     »Vielleicht stimmen Ihre Ansichten über Jones«, sagte Rafferty schließlich. »Vielleicht ist er auch nur ein Mensch.« Er zog die Wagenschlüssel heraus und ging zu seinem geparkten Fahrzeug. »Aber es ist, als kämpfe man gegen das Meer. Wir gehen unter, sinken jeden Tag tiefer. Eine Zivilisation, die in der Flut ertrinkt. Die neue Sintflut.«
    »Die göttliche Kraft«, sagte Cussick ironisch.
     »Wir können Jones nicht vernichten. Wir können nur hoffen, daß es über ihn hinaus noch etwas anderes gibt, etwas auf der anderen Seite.« Rafferty öffnete die Wagentür und stieg ein. »Sie können die Straßensperren aufheben, wenn Sie wollen. Aber lassen Sie sie in Alarmbereitschaft.«
    »Ja«, sagte Cussick. »Gute Nacht.«
     »Gute Nacht«, sagte Rafferty. Der Motor sprang an, das Fahrzeug fuhr davon. Cussick blieb allein zurück. Nebelarme griffen nach ihm; er fröstelte, als er sich vorstellte, wie das den vier Mutanten erschienen sein mußte. Schwache, kleine Wesen mit ihren Hoffnungen, ihren verwirrten Träumen, die nicht wußten, wer oder was sie waren… und vor ihrem Glasbehälter warteten sie auf die Nacht und graue, marschierende Gestalten: Jones’ Leute.
     Cussick ging langsam auf dem dunklen Gehsteig dahin, bis er die erste Polizeibarrikade erreichte.
     »Okay«, sagte er zu dem behelmten Sergeanten. »Ihr könnt abbauen.«
     Der Sergeant beachtete ihn nicht; die Polizisten standen an ihren Relaistelefongeräten und verfolgten gebannt eine TVÜbertragung.
    Gereizt wollte Cussick den Sergeanten an der Schulter packen, aber dann begriff er, was er hörte. Er vergaß den Sergeanten, Rafferty, die Barrikaden, die venusischen Mutanten. Er beugte sich vor und lauschte starr.
     »… Beginn der Aktion bereits mindestens fünfzig Prozent der verbrecherischen Anführer in die Hände der Sicherheitskräfte. In allen Großstädten nehmen Waffen-Gruppen

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