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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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nicht einmal neunzig Pfund.« Rafferty blieb stehen. »Das ist die Küche. Stühle, ein Tisch, Geschirr.«
     Es war von allem eine Miniaturausgabe, ein Puppenhaus: winziges Mobiliar, winzige Bestecke, ein verkleinertes Abbild einer gewöhnlichen Küche. Cussick nahm eine wachsüberzogene Ausgabe des »Wall Street Journal« vom Tisch.
    »Das lesen sie?« fragte er ungläubig.
     »Gewiß.« Rafferty führte ihn durch einen winzigen Flur in einen Nebenraum. »Das ist die Unterkunft von Frank. Sie sehen Bücher, Tonbänder, Kleidung wie die unsrige. Das sind Menschen! Menschliche Wesen im kulturellen, geistigen, moralischen und psychologischen Sinn. Vom Intellekt her gesehen sind sie uns so nahe wie – « Er gestikulierte. »Näher als manche von diesen brüllenden Verrückten draußen, die mit ihren Schildern und Schlagworten herumlaufen.«
     »Mein Gott«, sagte Cussick, als er ein Schachspiel, einen Elektrorasierer, einen Hosenträger und an der Wand einen Kalender mit leichtgeschürzten Mädchen entdeckte. Auf der Kommode stand eine Buchausgabe von James Joyces ›Ulysses‹. »Sie sind Mutanten, nicht wahr? Abnormitäten aus dem Krieg?«
    »Nein«, gab Rafferty zurück, »sie sind meine Kinder.«
    »Bildlich gesprochen, meinen Sie.«
     »Nein, buchstäblich. Ich bin ihr Vater. Ihre Embryos sind meiner Frau entnommen und in eine künstliche Membran gelegt worden. Meine Frau und ich sind die Eltern der ganzen Gruppe.«
     »Dann sind sie also bewußt erzeugte Mutanten«, sagte Cussick langsam.
     »Sicher. Seit über dreißig Jahren arbeite ich mit ihnen und entwickle sie nach unserem Programm. Von Mal zu Mal sind sie vollkommener. Wir haben viel gelernt – von den ersten sind die meisten gestorben.«
    »Wie viele gibt es?«
     »Insgesamt sind es vierzig gewesen. Aber nur acht sind am Leben – sieben in der Kuppel und ein Kind, das noch im Brutkasten liegt. Das ist mühsame Arbeit, und wir besitzen noch kein Wissen, von dem wir zehren könnten.« Der farblose, kleine Arzt sprach mit Gelassenheit; er teilte nur Tatsachen mit. Seine Art von Stolz ging über jedes Prahlen hinaus.
     »Künstlich gezüchtete Mutanten«, sagte Cussick, während er durch das enge Zimmer ging. »Deshalb haben sie eine gemeinsame Umwelt.«
     »Sie haben schon manche von den Kriegskuriositäten gesehen?«
    »Ziemlich viele.«
     »Dann werden Sie nicht schockiert sein. Am Anfang fällt es einem ein bißchen schwer, damit fertigzuwerden. In gewisser Beziehung ist es ja wohl fast komisch. Ich habe Ärzte laut lachen sehen. Sie sind klein, sie sind zerbrechlich, sie zeigen ein besorgtes Stirnrunzeln, wie ich. Sie führen ihren Daseinskampf im Tank, sie streiten, diskutieren, regen sich auf, lieben sich. Sie sind eine vollständige Gemeinschaft. Die Kuppel ist ihre Welt, und in ihr stellen sie eine totale organische Gesellschaft dar.«
     »Und welchem Zweck dienen sie?« fragte Cussick scharf. Unklar begann er den Sinn des Projekts bereits zu erfassen. »Wenn sie nicht draußen auf der Erde leben können…«
    »Das ist es«, sagte Rafferty sachlich. »Sie sollen auch nicht auf der Erde leben. Sie sollen auf der Venus leben. Wir haben versucht, eine Gruppe für das Überleben auf dem Mars zu entwickeln, aber daraus wurde nichts. Der Mars und die Erde sind zu verschieden, aber die Venus ist ähnlicher. Dieser Tank, diese Miniaturwelt, ist ein genaues Abbild der Bedingungen, die unser Raumschiff auf der Venus gefunden hat.«

    XII

     Vor dem Miniaturhaus bückte sich Rafferty und zeigte Cussick einen der Schwämme, die in der Kuppel heimisch waren.
     »Das ist künstlich hergestellt, aber es gibt echte Schwämme genau dieser Art auf der Venus. Man hat sie zurückgebracht, und unsere Forschergruppen bauten Modelle.«
     »Warum hat man sie nicht einfach verpflanzt? Wachsen die echten hier nicht?«
     »Ich erkläre Ihnen den Grund ein bißchen später.« Er richtete sich auf und führte Cussick zum Ufer eines kleinen Sees. »Auch das sind Nachbildungen.« Rafferty griff nach einem zuckenden, schlangenähnlichen Wesen mit kurzen Stummelbeinen, die wild ruderten. Rafferty drehte ihm den Kopf um; er löste sich ab, und das Wesen erstarrte. »Ein mechanisches Gerät – Sie sehen die Verkabelung. Aber auch das ist ein genaues Abbild echter venusischer Fauna.« Er setzte den Kopf wieder auf, und das Tier begann zu strampeln. Rafferty warf es ins Wasser zurück, wo es davonschwamm.
     »Diese Berge«, sagte Cussick und deutete nach oben, »sind

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