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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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restliche hohe Funktionäre fest. Das Unternehmen läuft geordnet ab – Widerstand wird kaum geleistet. Prediger Floyd Jones selbst soll bei einem Gefecht zwischen seinen Anhängern und Polizeieinheiten verwundet worden sein. Ein Bericht aus New York spricht von Straßenkämpfen zwischen dem fanatischen Mob und Polizeipanzern. Alle Waffenpolizei-Einheiten in diesem Gebiet werden angewiesen, sich bei ihren Sammelstellen zu melden. Bisherige Anweisungen sind ungültig. Wir wiederholen die entscheidende Meldung: Der Höchste Rat der BundesWeltregierung hat die als ›Vereinigte Patrioten‹ bezeichnete Organisation als illegal erklärt. Alle Mitglieder der genannten Organisation werden hiermit als kriminelle Elemente eingestuft. Das Gesetz ermächtigt die Geheimpolizei, alle Mitglieder der Organisation ›Vereinigte Patrioten‹ – sowie sämtliche Personen, die in Verbindung mit der Jugendliga, der Frauenliga und ähnlichen Nebengruppen stehen, sofort festzunehmen und den Gerichten zu überstellen…«
     Cussick wandte sich ab, halb erstarrt von der eben gehörten Nachricht halb von der Nachtkälte. Er stampfte mit den Füßen, hauchte seine Hände an, ruderte mit den Armen. Pearson hatte also losgeschlagen. Der Rat hatte sein Programm gebilligt: Jones und seine Leute wurden zusammengetrieben, verurteilt und in die verschiedenen Arbeitslager eingewiesen. Vermutlich nach Artikel Zwei, der die Sicherheitspolizei ermächtigte, Mitglieder charismatischer Sekten festzunehmen, die die freie Verbreitung der relativistischen Grundsätze bedrohten. Eine absichtlich unklar gehaltene Klausel, ein Gummiparagraph für alle Situationen, die man sonst nicht erfassen konnte.
    Aber Jones mußte das gewußt haben. Die Organisation mußte den Angriff erwartet haben. Vor einem Jahr mußte Jones vorausgesehen haben, daß Pearson in seiner strengen Empörung einen letzten, großangelegten Versuch unternehmen würde, die sich ausbreitende Bewegung zu zerschlagen. Kaminskis Verrat hatte Pearson angefeuert; er wollte vorgehen, etwas tun, einen letzten Versuch zur Rettung der Bureg unternehmen, bevor das Ganze entschieden war. In Jones Gehirn war aber schon alles entschieden.
     Cussick lauschte der Polizeisendung und fragte sich, wie Jones überhaupt überrascht werde konnte. Verhaftet und verwundet. Es sei denn, er hatte sich festnehmen lassen wollen. Es sei denn, er hatte den Plan gefaßt, sich anschießen zu lassen. In diesem Fall hatte Pearson vermutlich das Schicksal der Regierung besiegelt.
     Vermutlich, ja sogar wahrscheinlich hatte Pearson durch seinen unbezähmbaren Wunsch, zu handeln, Jones Sieg zur absoluten Gewißheit gemacht.

    XIII

     Die Menge tobte. Am Nachmittag des historischen Tages war eine ungeheure Menschenmenge in der flirrenden Hitze versammelt, und der vielstimmige Chor feierte donnernd den kleinen Mann auf dem Podium, die winzige Gestalt, die gestikulierte, redete und mit den Armen fuchtelte. Lautsprecher übertrugen die Rede und verstärkten die Stimme, bis sie den Lärm der Menge übertönte. Hinter den Massen standen die Ruinen dessen, was einmal Frankfurt am Main gewesen war.
     »Meine Freunde«, schrie Jones; »die Plutokratie hat versucht, mich zum Schweigen zu bringen. Aber die Leute sind weich geworden. Wie gewaltige Schmarotzer sitzen sie an ihren Schreibtischen und regieren die Welt. Sie sind fett von uns geworden, sie haben sich gut genährt. Aber das geht zu Ende. Ich kann es sehen.«
    Die Menge jubelte.
     »Wir müssen uns aufmachen!« brüllte Jones. »Fort von unserer Welt, fort von den toten Systemen. Das ist unser Schicksal. Der Gattung darf ihre Zukunft nicht bestritten werden. Nichts wird uns aufhalten. Wir können nicht besiegt werden.«
     So ging es weiter. Irgendwo, mitten unter den Zuhörern, unberührt von der fiebrigen Rede, wartete der Polizeiattentäter.
     Im Krieg war er Soldat gewesen. Er war Scharfschütze und hatte einen Koffer voll Orden erworben. In den letzten Tagen des Krieges war er Berufsattentäter geworden. Die Chancen, daß sein Schuß das Ziel verfehlte, standen eins zu einer Million.
     Am Tag der Rede wurde Pratt vom Arbeitslager in Manresa in Spanien zu den Außenbezirken von Frankfurt gefahren. Während der lange, niedrige Wagen nach Norden fuhr, überlegte er noch einmal, wie er es anstellen würde. Viel gab es nicht zu bedenken; sein ganzer Körper war schon auf die bevorstehende Aufgabe ausgerichtet. Nach einer Weile legte er den Kopf zurück und genoß die

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