Die Sextherapie: Roman (German Edition)
blickte von seinem Steak auf.
In seinem maßgeschneiderten anthrazitfarbenen Anzug sah er einfach zum Anbeißen aus. Nun erlebte sie schon zum zweiten Mal an ein und demselben Tag, dass er die Fassung verlor. Allmählich fand sie Gefallen daran, ihn aus dem Konzept zu bringen.
»Sie sind wirklich niedlich, wenn Sie sich ärgern«, entgegnete sie.
»Um Himmels willen, Shelley, Sie können doch nicht die Titelgeschichte zurückziehen. Ihre eigene gottverdammte Titelgeschichte. Die Geschichte, wegen der die Werbekunden sich förmlich überschlagen.«
Die Gäste an den Nachbartischen waren verstummt. Es handelte sich um eines jener Restaurants, in denen jeder jeden kannte und verzweifelt herauszukriegen versuchte, was er wohl im Schilde führte.
Shelley strich mit dem Finger über den Rand ihres Weinglases.
»Aidan, ich weiß genau, was ich tue.«
»Ist sie Ihnen zu anzüglich?«, hakte er nach. »Machen Sie die ausführlichen Sexszenen verlegen?«
»Daran liegt es nicht«, antwortete sie.
Erkenntnis malte sich auf Aidans Gesicht. »Sie haben die Seiten gewechselt und wollen Ihre Freunde nicht verraten.«
»Das auch«, entgegnete Shelley. »Aber es steckt noch mehr dahinter.«
»Und das wäre?«
»Der Kurs selbst«, erklärte Shelley. »Ich würde gerne eine Serie über die einzelnen Kursteilnehmer bringen. Jeder von ihnen hat eine faszinierende Geschichte zu erzählen, die einen eigenen Artikel verdient. Außerdem möchte ich darüber berichten, was aus ihnen geworden ist. Deshalb werde ich mich in einigen Wochen wieder mit ihnen in Verbindung setzen und herausfinden, wie es ihnen geht und ob sie es geschafft haben, ihre Sucht zu überwinden. Ich will ein objektives Bild dessen vermitteln, ob diese Behandlungsmethode tatsächlich wirkt oder ob sie nur dazu dient, wohlhabenden und prominenten Patienten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ist es ein seriöses Projekt, das verzweifelte und hilflose Menschen heilt?« Sie trank einen Schluck Wein. »Ich lege den Artikel nicht auf Eis, Aidan, ich will ihn ausbauen. Ich will die sexuellen Inhalte nicht kürzen, ich will sie nur in einen Zusammenhang setzen, mehr nicht. An ein bisschen Schmutz und Schund ist nichts Schlimmes, solange er zu neuen Erkenntnissen führt. Die Werbekunden werden das verstehen, schließlich profitieren sie davon.«
Aidan starrte sie eine Weile nachdenklich an.
»Und was planen Sie, nächste Woche auf den Titel zu setzen?«, erkundigte er sich schließlich.
»Freyas Artikel«, antwortete Shelley.
»Bis jetzt hatte ich den Eindruck, dass Sie Freya nicht leiden können«, meinte er.
»Das stimmt, aber ihr Artikel ist gut. Außerdem möchte ich, dass sie im Team bleibt und nicht querschießt.«
Endlich lächelte er. »Sie sind eine wahre Chefredakteurin«, stellte er fest.
»Ich weiß«, sagte Shelley und ließ sich von ihm noch ein Glas einschenken.
Zwei Stunden später bezahlte Aidan die Rechnung und sah dem Kellner nach.
»Haben Sie noch etwas vor?«, fragte er dann.
»Mit der Zeitschrift oder heute Abend?«, versetzte sie.
Aidan sah ihr lächelnd in die Augen.
»Beides«, antwortete er.
»Mit der Zeitschrift habe ich noch einige Pläne«, entgegnete Shelley. »Haben Sie vielleicht Lust, sie bei einem Kaffee zu besprechen?«
»Wir haben doch gerade bezahlt?«
»Man kann auch anderswo Kaffee trinken.«
»Oh«, stieß er ein wenig verdattert hervor. »Ich besitze eine dieser albernen Kaffeemaschinen, die nie richtig funktionieren.«
»Klingt prima.«
Aidan half ihr in den Mantel und befreite mit einer sanften Bewegung ihr Haar, das sich im Kragen verfangen hatte.
Er wohnte ganz in der Nähe, und schon eine Viertelstunde später saßen sie auf seinem Sofa. Aidans Kaffeemaschine hatte ausnahmsweise nicht gestreikt, aber Shelley interessierte sich nicht für den Espresso.
»Also«, begann er. »Diese Pläne...«
Shelley beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund. Dann lehnte sie sich zurück und wartete auf seine Reaktion. Nur das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims durchbrach die Stille.
»Da gibt es eine Sache, in der ich mir bei dir nicht ganz sicher war«, meinte Aidan schließlich.
»Und die wäre?«
»Ich wusste nicht, ob du bereit sein würdest, Risiken einzugehen«, sagte er. »Manchmal muss eine Chefredakteurin ins kalte Wasser springen, und ich hatte Sorgen, du könntest zu sicherheitsbedürftig, zu...«
Er verstummte.
»Zu verklemmt?«, schlug sie vor.
»Vielleicht«, sagte er lächelnd.
»Und was denkst
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