Die Sextherapie: Roman (German Edition)
bist eine großartige Autorin und eine tolle Journalistin.«
»Danke, Brie«, antwortete Shelley und fühlte sich schon ein wenig wohler. »Das bedeutet mir sehr viel. Ich habe mich zwar entschlossen, die Sache durchzuziehen, doch zu wissen, dass man Unterstützung hat, ist mir wirklich eine Hilfe. Ich fahre gleich heute los und komme erst in ein paar Wochen zurück.«
Briony grinste. »Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn du eine Zeit lang von der Bildfläche verschwindest.«
»Warum?«
»Ich glaube, ich habe Gavin gestern Nacht eine SMS geschickt, in der stand, dass du es gerne... äh... anal machst. Ich war total betrunken!«, fügte sie hinzu, als ob das eine Entschuldigung wäre.
Nach kurzer Überlegung sprang Shelley auf und stürzte sich mit so viel Schwung über die Sofalehne auf Briony, dass diese umkippte. Der Mann hinter dem Sofa wurde davon geweckt, dass zwei Frauen schwungvoll auf ihm landeten, allerdings nicht mit freundlichen Absichten.
4
Shelley nahm den Zug nach Northampton und fuhr dann mit dem Taxi zum Tor der Klinik, die irgendwo unweit der Grenze zu Warwickshire lag. Während der Taxifahrer wendete und verschwand, musterte sie nachdenklich das diskrete Schild am rechten Torpfosten.
»Neue Wege«, lautete die Aufschrift auf dem Schild. Also war sie hier offenbar richtig. Das edwardianische Herrenhaus war von einem zwei Hektar großen Park umgeben. Es war ein trüber Frühlingstag. Die Osterglocken hatten schon bessere Tage gesehen und standen schlaff und mit bräunlichen Blütenblättern da.
Shelley zuckte die Achseln, nahm ihre Tasche und ging mit knirschenden Schritten den Kiesweg hinauf in ihr neues Leben.
Shelleys erste nennenswerte sexuelle Erfahrung datierte in ihrer Schulzeit. Ihre Freundin Rhianna hatte ihr anvertraut, Tom Broachfield stehe auf sie und wolle sich gern in der Mittagspause hinter dem Toilettengebäude mit ihr treffen. Rhianna und ihr Freund Rod würden auch da sein. Auf den ersten Blick eigneten sich die Toiletten nicht unbedingt als Liebesnest, hatten aber den Vorteil, dass sie wegen des Geruchs kaum benutzt wurden und vom Schulhaus aus nicht einzusehen waren. Der Fahrradschuppen kam als Ausweichquartier nicht in Frage, da er dem heimlichen Rauchen vorbehalten war.
Shelley war, teils aus Langeweile, teils aus Neugier, und auch wegen ihrer Freundschaft mit Rhianna, mitgegangen. Die Jungen, die sie hinter dem Gebäude erwarteten, wirkten nervös.
»Alles klar?«, fragten sie.
Da Rhianna und Rod die Formalitäten bereits abgehakt hatten, kamen sie sofort zur Sache. Shelley setzte sich neben Tom und versuchte, nicht auf die schmatzenden Geräusche zu achten, die das knutschende Paar von sich gab. Sie hatte keine Ahnung, was nun passieren würde, und wie sich herausstellte, ging es Tom genauso. »Ach, verdammt, ich tu’s jetzt einfach«, zischte er nach einer Weile und stürzte sich auf Shelley. Da sie geradeaus blickte und nicht den Kopf drehte, um seinen Kuss zu erwidern, landete sein Mund halb auf ihrer Wange und halb auf ihren Lippen. Sie erstarrte. Im nächsten Augenblick packte er ihr Gesicht, drehte es zu sich hin − was eigentlich hätte sinnlich sein sollen, jedoch eher eine klebrige Angelegenheit war − und presste ihr einen Kuss auf die fest geschlossenen Lippen.
So ging es weiter, bis zum Ende der Pause der Gong ertönte. Shelley verabschiedete sich, war aber ziemlich unbeeindruckt.
»Beim nächsten Mal klappt es besser«, beteuerte Rhianna auf dem Weg zur Doppelstunde Mathe. »Gefällt er dir?«
Darüber hatte Shelley noch gar nicht nachgedacht. Hätte er ihr denn gefallen sollen? Sie mochte Jungs, wenigstens die in den Zeitschriften und im Fernsehen. Allerdings war es ein Unterschied, einen Jungen aus ihrer Klasse zu küssen. Diese Jungs waren echt, keine Phantasiegebilde. Es war, als sollte man den eigenen Bruder heiraten.
»Irgendwie schon«, erwiderte sie.
Shelley trat in den prächtigen, im Regency-Stil gehaltenen Empfangsbereich, wo sie von einem der attraktivsten Männer begrüßt wurde, die ihr je begegnet waren. Er stand hinter einer Theke, hatte unverschämt schöne, zu einer stilvollen Frisur geformte Locken und trug ein blaues Hemd von Paul Smith. Der oberste Knopf war geöffnet und gab den Blick auf ein Büschel Brusthaar frei. Er kam Shelley ein wenig bekannt vor. Vielleicht von der Webseite der Klinik.
»Hallo«, begrüßte er sie mit einem breiten Lächeln. »Ich bin Cian.«
»Hallo, Cian«, sagte Shelley. »Ich
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